Boris (Fabian Stumm) und Jonathan, genannt Joni (Knut Berger), sind seit acht Jahren ein Paar. Es gibt eine Menge, was sie aneinander schätzen, aber ihre Beziehung zeigt auch erste Risse. Zweifel schieben sich zwischen die unmittelbare Selbstverständlichkeit des Zusammenseins. Verstärkt werden sie durch die kreativen Berufe der beiden. Boris ist Schauspieler und übernimmt bei Filmregisseurin Jeanne (Marie-Lou Sellem) den Part eines Mannes, der mit der Figur von Carla (Susie Meyer) zusammenlebt, aber mit einem jüngeren Mann fremdgeht, gespielt von Tim (Magnús Mariuson). Und Schriftsteller Joni schreibt an einem Roman, in dem es um Tod, Verlust und Loslassen geht – Themen, die ganz untypisch sind für sein bisheriges Werk. Auch im familiären Umfeld der beiden mehren sich die Dysbalancen. Jonis alleinerziehende Schwester Natascha (Doreen Fietz) muss mit den frühpubertären Dummheiten ihrer Tochter Josie (Alma Meyer-Prescott) klarkommen.
Ein gemeinsamer Abend im Kino: Boris und Joni laufen danach die Straße entlang und tauschen ihre Eindrücke aus. Boris ist von einem alten Film Helmut Käutners total begeistert, Joni findet ihn nicht schlecht, aber ein bisschen rührselig. Entschiedener Protest des Geliebten: Rührend vielleicht, aber keinesfalls rührselig. In diesem Moment kippt die entspannte Stimmung. „Frag‘ mich doch nicht, wie ich’s finde, wenn du es gar nicht hören willst“, schimpft Joni gereizt. Der schöne Abend zu zweit ist verdorben. Jedes Paar kennt solche Dissonanzen, aber bei Joni und Boris werden sie langsam zum Symptom. Dabei ist es keineswegs so, dass die Liebe schon zerbrochen wäre. Aber sie geht durch eine Phase der Ambivalenzen. Was Film-im-Film-Regisseurin Jeanne über ihr Drehbuch sagt, gilt auch für den eigentlichen Film von Fabian Stumm, der sich mit seinem Langfilmdebüt als Regisseur vom reinen Schauspielerdasein verabschiedet, auch wenn er hier zugleich eine der beiden Hauptrollen übernimmt. Jeanne möchte nicht, dass die Szenen eindeutig werden, sie setzt auf Ambiguität.
Es ist ein Stoff, wie ihn Ingmar Bergman geliebt hätte: Untreue, Seelenqualen, Auseinandersetzung mit dem Tod. Aber der Ton von Fabian Stumms Beziehungsdrama ist keineswegs Bergman-typisch. Er ist wunderbar leicht und beiläufig, gespickt mit einem sehr leisen und subtilen Humor. Das macht den Film noch nicht zu einer Komödie, aber zu einer sensiblen Studie der Zwischentöne im menschlichen Zusammenleben. Dabei hält die beobachtende Kamera (Michael Bennett) eine gewisse Distanz zu den Figuren. Aufs augenzwinkernde Beobachten und Registrieren kommt es dem Film mehr an als aufs Festklammern an den teils heftigen Emotionen. Identifikationsangebote machen hier alle Charaktere, keiner ist per se gut oder böse. Es geht in den ruhigen, aufgeräumten Bildern um das Ungesagte und nicht zu Fassende: um das, was erst noch zu klären sein wird. Es wird gewisse Erfahrungen brauchen, um aus dem Nebel der Ambivalenzen wieder herauszufinden und die Beziehungen auf eine neue Stufe zu heben. Der Film begleitet seine Figuren dabei, jede mit derselben Wärme und Fürsorge.
Es mag leicht abwertend klingen, wenn man einem Schauspieler auf dem Regiestuhl bescheinigt, er habe einen tollen Schauspielerfilm gedreht. Aber das soll es nicht. Fabian Stumm macht in seinem Erstling etwas sehr Richtiges. Er konzentriert sich darauf, was er besonders gut kann, nämlich seine Darsteller in den Mittelpunkt zu rücken. In einem Interview erzählt er, er habe die Rollen auf die Schauspieler hin entwickelt und beim Schreiben bereits deren Stimmen im Ohr gehabt. Jeder der durchweg nuanciert agierenden Darsteller bekommt dadurch einen Freiraum, wie er ihn sonst vielleicht nur beim Theater genießt.
Aber auch, wenn sich die Kamera in den Dienst des Spiels stellt, so beeindrucken doch die stilistische Klarheit und die besondere Tonalität dieses Erstlings, die bereits eine eigene Handschrift verraten. Dass es hier um eine homosexuelle Beziehung geht, erhält eine lang ersehnte Selbstverständlichkeit und ist kein Anlass, den Film in die schwul-lesbische Schublade zu stecken. Fabian Stumm reflektiert auch dieses Thema mit hintersinnigem Witz. Am Anfang sehen wir einen Dialog zwischen Joni und Boris, der auf typische Weise bloßlegt, was nicht stimmt in ihrer Liebe. Und dann, ein paar Filmminuten später, sagt Boris in seiner Rolle als Schauspieler dieselben Sätze zu einer Frau, und die Frau antwortet genau so, wie vorher Joni geantwortet hatte. Homo oder hetero, das spielt keine Rolle mehr.
„Knochen und Namen“ ist ein mit leisem Humor durchsetzter Beziehungsfilm. Regisseur Fabian Stumm deckt die Risse in Partnerschaften auf verschiedenen Ebenen mit großer Ernsthaftigkeit und hoher Sensibilität auf, ohne den Unterhaltungswert seines Debüts aufs Spiel zu setzen.