Der Wiener Sänger Erich „Rickerl“ Bohacek (Voodoo Jürgens) arbeitet an seiner ersten Platte. Aber seine Auffassung von „Arbeit“ ist recht speziell. Nachts treibt er sich in den Kneipen herum und morgens schläft er bis zwölf. Aus den miesen Jobs, die ihn über Wasser halten, fliegt er sofort wieder raus. Ex-Freundin Viki (Agnes Hausmann) hat schon längst die Konsequenzen gezogen. Sie lebt jetzt mit einem reichen deutschen Schnösel zusammen und hat den gemeinsamen Sohn Dominik (Ben Winkler) natürlich mitgenommen. Kurzum, Rickerl – als Singer-Songwriter ein riesiges Talent – wird gequält von Selbstzweifeln und Aufschieberitis. Er steckt in einer Abwärtsspirale, die nur deshalb lustig ist, weil er selbst so ein kerniges Original abgibt und außerdem jede Menge anderer Charakterköpfe kennt. Mit viel Schmäh und Zuneigung widmet der österreichische Regisseur Adrian Goiginger seine erste Komödie den Außenseitern und Unperfekten.
Auftritt in der Kneipe, die sowieso sein Wohnzimmer ist: Wenn der Rickerl „Ollas nimma deins“ singt, verstummen die Gespräche und die Augen leuchten. Hier mögen sie seine Lieder, weil sie von dem handeln, was jeder kennt: Gefühle von Fremdheit, Sehnsucht nach der guten alten Zeit, in der Kneipen wie diese noch nicht bedroht waren von Geschäftemachern und Immobilienspekulanten. In der die einfachen Leute hier sitzen konnten und eine Art Familiengefühl aufkam, weil auch für die Versager, Quertreiber und die Halbweltfiguren des Nachtlebens ein Stammplatz reserviert war. In der Musik von Voodoo Jürgens, der den Rickerl mehr oder weniger in Anlehnung an seine eigene Biografie spielt, sind sie verkörpert: diese vom Aussterben bedrohten Originale, die reden, wie ihnen der Schnabel (oder besser: „die Goschn“) gewachsen ist. Der Sänger setzt ihnen in seinen Liedern ein wunderschönes Denkmal. Und weil seine Musik so eindringlich ist, kam auch der Film zustande. Regisseur Adrian Goiginger hörte Jürgens‘ erste Platte und wollte unbedingt einen Film mit ihm drehen.
Angeblich saßen Goiginger und Jürgens dann oft im Kaffeehaus beieinander und tüftelten daran, wie man um die Gesangsnummern herum eine Geschichte bauen könnte. Letztlich ist aber viel mehr als nur ein Musikfilm dabei herausgekommen, nämlich eine veritable Komödie mit einem sehr speziellen Humor, der sich aus Charakterwitz und den irrwitzigen Lagen speist, in die sich vor allem die Hauptfigur verrennt. Und der deshalb so zündet, weil er vollgesogen ist mit den Dramen des wirklichen Lebens, über die man hinterher meist herzlich lachen kann. Dass hier vieles „echt“ ist im Sinne von selbst erlebt oder bei anderen beobachtet, spürt man in jeder Sequenz. Und doch bestehen der Regisseur und sein Hauptdarsteller mit Recht auf der Tatsache, dass es sich um einen Spielfilm handelt. Will heißen: Voodoo Jürgens spielt sich zwar nicht selbst. Aber irgendwie landet er in der Rolle dann doch bei sich, begleitet von einer dynamischen, dokumentarisch wirkenden Kamera.
Wer Goigingers Debüt „Die beste aller Welten“ (2017) kennt, wird unschwer das Thema wiedererkennen, das den jungen Regisseur (Jahrgang 1991) schon damals umtrieb: Wie eine Gruppe von Außenseitern vieles falsch macht, aber das Entscheidende richtig: nämlich zusammenzustehen wie eine kleine Wahlfamilie. Insofern ist „Rickerl – Musik is höchstens a Hobby“ näher an Goigingers Erstling als die beiden Folgefilme. Er wirkt kleiner und unscheinbarer als die ebenso sehenswerten Nachfolger „Märzengrund“ (2021) und „Der Fuchs“ (2022), entfaltet aber dieselbe emotionale Wucht, unter anderem auch durch das Herzblut, das Voodoo Jürgens in die Gesangspartien legt.
Ging es in „Die beste aller Welten“ um das Verhältnis eines Jungen zu seiner Mutter, so steht jetzt das Vater-Sohn-Verhältnis im Mittelpunkt. Ohne große Dramatisierung, eher wie im Vorbeigehen streift der Film die Sehnsucht, ein guter Vater sein zu wollen. Und er deutet die Probleme an, die einem dabei im Wege stehen, wenn man selbst keinen verlässlichen und zugewandten Vater hatte. Mit großer Zärtlichkeit und einem tollen Kinderdarsteller zeigt Adrian Goiginger den Spagat zwischen einer verantwortlichen Elternrolle und dem Wunsch, der beste Kumpel des eigenen Sohnes zu werden. Das ist hochemotional und trotzdem nicht kitschig. Nur für die Schlussszene sollte man sich schon einmal ein Taschentuch bereitlegen.
„Rickerl – Musik is höchstens a Hobby“ erzählt vom fiktiven Sänger Erich Bohacek, der vom österreichischen Singer-Songwriter Voodoo Jürgens gespielt wird. In seiner ersten Komödie verschmilzt Regisseur Adrian Goiginger das komische Fach mit Drama und Musikfilm auf eine ebenso elegante wie berührende Weise.