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Der Sohn des Mullahs

Geschrieben von Peter Gutting am 30. Mai 2024

Wie brutal eine Diktatur mit ihren Gegnern umspringt, weiß die iranisch-schwedische Dokumentarfilmerin Nahid Persson Sarvestani seit langem. Bereits 1979, kurz nach dem Sturz des Schahs, wurde ihr Bruder von den Anhängern des neuen iranischen Gottesstaates im Rahmen politischer „Säuberungen“ ermordet, mit gerade einmal 17 Jahren. Seitdem lebt die gebürtige Iranerin in Schweden, wo sie Dokumentationen über das Leben und die Verfolgung in ihrer ehemaligen Heimat dreht. Kein Wunder, dass sie fasziniert ist von Roohollah Zam, einem Journalisten, der aus dem französischen Exil Nachrichten über die Korruption der Mullahs, ihr Doppelleben und ihre Verbrechen gegen die eigene Bevölkerung verbreitet. Sie besucht ihn, nicht ahnend, dass das ursprünglich geplante Porträt eine unerwartete Wendung nehmen und in einer Tragödie enden wird.

Die Medien des Iran sind seit 1979 fest in staatlicher Hand. Doch immer wieder dringen Meldungen über Proteste nach außen. Das ist unter anderem das Verdienst von Exiljournalisten, die Videos über das reale Leben geschickt bekommen und sie auf ihren Online-Plattformen und über den Messengerdienst Telegram in alle Welt und vor allem in ihr Heimatland verbreiten. Roohollah Zam mit seiner Website „Amadnews“ ist einer der bekanntesten von ihnen. Er erreicht im Iran über zwei Millionen Menschen und hat offenbar Quellen in wichtigen Positionen des Machtapparats bis hinauf zu den Mitarbeitern von „Revolutionsführer“ Ali Chamenei. Der Journalist deckt unter anderem Geldwäsche-Geschäfte, millionenschwere Veruntreuung von staatlichen Finanzen sowie brutale Polizeigewalt auf. Und er zeigt dem unterdrückten Volk, wie Chameneis Söhne sowie Kinder anderer Mullahs ein zügelloses Luxusleben im Ausland führen.

Das ruft die Revolutionsgarden und die Geheimdienste auf den Plan, die den Journalisten aus dem Weg schaffen wollen. Nach wiederholten Morddrohungen verschafft die französische Polizei ihm und seiner Familie eine versteckte Wohnung sowie Personenschutz. Dabei stammt Zam, wie es der Filmtitel schon andeutet, selbst aus der Klasse derer, die er bekämpft. Als Jugendlicher hat er Staatsführer Chamenei selbst getroffen, denn sein Vater, Mullah Mohammad Ali Zam, war in den frühen 1980er Jahren ein ranghoher Mitarbeiter der Regierung. Auch Sohn Roohollah ist zunächst streng religiös, wendet sich aber aus Enttäuschung über die Vermischung von Geistlichkeit und Politik vom Regime ab. 2009 kämpft er während der „Grünen Revolution“ gegen den Wahlbetrug des damaligen Präsidenten Mahmud Ahmadineschād.

Der Film zeigt den umtriebigen Journalisten zunächst als gut gelaunten Familienvater, der sein abgeschirmtes, isoliertes und ständig bedrohtes Leben vor allem dank seiner Frau Mahsa und den beiden Töchtern genießt. Immer wieder macht er Witze darüber, aus welcher Richtung die Kugeln kommen könnten, die es auf ihn abgesehen haben. Geduldig erklärt er der Filmemacherin, aus welchen Kreisen seine Quellen stammen und auf welchen Umwegen er mit ihnen kommuniziert. Doch dann überschlagen sich die Ereignisse und der Film driftet in eine Art Spionagethriller mit hektisch bewegten und teils wackeligen Bildern ab. Dieser Mittelteil macht es dem Publikum nicht leicht, sämtliche Wendungen und Komplikationen der Geschichte nachzuvollziehen. Auch die Filmemacherin selbst, die aus der Ich-Perspektive und aus persönlicher Betroffenheit berichtet, wird von Zweifeln getrieben, wem sie noch glauben kann. Den Zuschauenden ergeht es ebenso, die Story scheint sich in Agenten-Intrigen zu verlieren.

Trotzdem kommt Regisseurin Nahid Persson Sarvestani („My Stolen Revolution“, 2014) nicht umhin, dem Publikum diese Verwirrung zuzumuten. Denn das Filmprojekt gerät selbst in den Strudel der Verwicklungen. Die Dokumentation wird Teil eines politischen Ränkespiels. Einmal scherzt eine von Roohollah Zams angeblichen „Quellen“ gar: Wenn der Journalist in ein paar Monaten ermordet würde, wäre das doch gut für den Film, dann käme er groß raus. Schon in diesem Moment wirkt der Spruch unangemessen, in der Rückschau aber nur noch gespenstisch. Eine Atmosphäre der Bedrohung erfasst die Bilder. Sie wird bis in den letzten Akt hineinreichen, der von Wut und Trauer, aber auch von Mut und Kampfeswillen geprägt ist.

Bei aller emotionalen Wucht und bei aller Relevanz angesichts der fortdauernden Unterdrückung im Iran hat „Der Sohn des Mullahs“ auch seine aufklärerischen Qualitäten. Er erweitert das, was man immer schon über Diktaturen zu wissen glaubte, um die konkreten Mechanismen der Macht, inklusive ihrer Skrupellosigkeit. Er verschafft Einblicke in die perversen Strategien der Geheimdienste und die Rachegelüste von Herrschern, die offenbar genau wissen, wie wenig ihre Untertanen von ihrer Propaganda halten. Und die deshalb jeden Widerspruch im Keim ersticken oder ihn gnadenlos ausradieren müssen, wenn er sich denn einmal Bahn gebrochen hat. Ein Schelm, der dabei nicht nur an den Iran denkt, sondern auch an Russland, an Nazi-Deutschland und an sämtliche Regime, die die Freiheit mit Füßen treten.

„Der Sohn des Mullahs“ erzählt die tragische Geschichte von Roohollah Zam, der den Kampf für die Freiheit seiner Heimat über sein persönliches Wohl stellt. Dokumentarfilmerin Nahid Persson Sarvestani porträtiert einen mutigen Berichterstatter in einem ebenso mutigen Film.

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Copyright: Rise & Shine Filmverleih

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Länge: 100min

Kategorie: Dokumentation

Start: 13.06.2024

cinetastic.de Filmwertung: (7,5/10)

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Info

Der Sohn des Mullahs

Geschrieben von Peter Gutting

Länge: 100min
Kategorie: Dokumentation
Start: 13.06.2024

Bewertung Film: (7,5/10)

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