Die Wüste Sinai, eine winzige Straße, ringsum nur Sanddünen: Hier läuft Ben (Luzer Twersky) auf die Kamera zu, ein ultraorthodoxer Jude, der von der Welt bisher nichts gesehen hat außer seiner religiösen Gemeinschaft. Ausgerechnet er kämpft sich mutterseelenallein durch die Wüste, in voller Montur mit Hut, Weste und Mantel, schwer bepackt. Ben hat keine Ahnung, dass er hier bald verdursten wird, wenn er sein Wasser für Waschzeremonien verschwendet. Aber wie Moses, der sein Volk vor Jahrtausenden in umgekehrter Richtung durch den Sinai führte, hat Ben einen Schutzengel. Er kommt aus dem Land des Erzfeindes, fährt einen klapprigen Pickup und hat gar keine Lust, den in seine Religion versponnenen Trottel mitzunehmen. Aber hier in der Ödnis gelten eherne Gesetze. Der Beduine Adel (Haitham Omar) darf einen Fremden nicht einfach so verrecken lassen.
Der Ahnungslose und der mürrische Pragmatiker, das ist eine komische Konstellation spätestens seit Laurel & Hardy („Dick und Doof“), genauso wie der beliebte Aufeinanderprall der Kulturen. Aber hier geht es nicht um irgendeinen Zwist der Lebens- und Glaubensarten. Es geht um eine Art Urmutter des politischen Konflikts, den im Nahen Osten. Das ist nicht zum Lachen. Dass die Regisseure Stefan Sarazin und Peter Keller es trotzdem tun, ist per se schon ein Statement – eine Ermunterung, die Hoffnung nicht fahren zu lassen in der Sackgasse aus Religion, Politik und Machtspielchen. Vor 15 Jahren begann die Reise des Films. Mit der Verleihung des Deutschen Drehbuchpreises 2011 war lediglich die erste Etappe geschafft, eine Menge Arbeit stand noch bevor. Das ist nur natürlich: Jeder falsche Ton, jeder Tick zu viel oder zu wenig kann hochgehen wie eine Bombe.
Stefan Sarazin und Peter Keller pflegen einen leisen, charmanten Humor. Wie mit dem Kamel reiten sie ihre Gags, schön langsam und gemächlich. Unterwegs sammeln sie Anekdoten ein, die ihnen die Leute tatsächlich erzählt haben. Sie nehmen einen Seitenweg, um vom Niedergang der Beduinen und ihrer Kultur zu erzählen, die sich in der Tourismus-Industrie verdingen müssen. Und kehren wieder auf den Hauptweg zurück, der vom massiven Schwund der jüdischen Gemeinde in Alexandria handelt. Man mag die realistische Unterfütterung der klassischen Buddy- und Abenteuerstory nicht eigens registrieren. Aber als mitlaufende Unterströmung lenkt sie die Geschichte um die Klippen abgedroschener Klischees herum, hin zu einer Oase tief empfundener Mitmenschlichkeit. In ebenso lebensfeindlichen wie traumhaft schönen Landschaften (Kamera: Holger Jungnickel, Alexander Haßkerl) finden die komplett unterschiedlichen Männer zu einer glaubhaften Freundschaft, für die die Religion kein Hindernis mehr darstellt.
Das ist bewusst ins Utopische und leicht Märchenhafte überzeichnet. Denn die Regisseure wollen sich nicht dem Vorwurf der Naivität aussetzen: Ausgerechnet ein Film soll dazu beitragen, was Generationen von bedeutenden Staatsmännern nicht geschafft haben? Aber unter der zauberhaften Oberfläche verbirgt sich ein reeller Kern. Im Interview erzählen die Regisseure, dass sie bei ihren langen Aufenthalten und Recherchen immer wieder eines festgestellt haben: Auf der Ebene des normalen Alltags ist das Zusammenleben von Juden und Arabern gar nicht so konfliktbeladen. Man kommt miteinander aus, etwa in Haifa, wo Juden, Moslems und Christen weitgehend entspannt ihr Leben genießen. Es seien die politischen Eliten, deren jeweilige Machtinteressen ein aufeinander Zugehen verhindern, glauben die Filmemacher. Manchmal braucht es eben ein komisches Paar wie Ben und Adel, um hinter die Kulissen immer gleicher Nachrichten zu treten.
Es fällt schwer, über den Nahen Osten noch Witze zu machen. Aber die Weltfremdheit einer ihrer Hauptfiguren erlaubt es den Regisseuren Stefan Sarazin und Peter Keller, sich in komödiantischer Tarnung ins Heilige Land zu schleichen: mit einer charmanten Ode an die Menschlichkeit.