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Late Night – Die Show ihres Lebens

Geschrieben von Peter Gutting am 24. Juli 2019

Vor den TV-Kameras sind schon lange viele Frauen als Moderatorinnen zu sehen. Mit einer Ausnahme: Die Late-Night-Show ist nach wie vor eine Domäne der Männer. Seien es in den USA Jimmy Fallon, Conan O’Brien, Seth Meyers oder der legendäre David Letterman – eine Frauenname findet sich hier so wenig wie in Deutschland, wo das Format sowieso nie richtig angekommen ist, wenn man mal von Harald Schmidt und einem gescheiterten Versuch von Anke Engelke absieht. Insofern ist die Nighttalkerin im neuen Film von Nisha Ganatra fiktiv. Aber das ist eine der wenigen Erfindungen in der sehenswerten Komödie, die auf den autobiografischen Erfahrungen von Drehbuchautorin und Darstellerin Mindy Kaling beruht.

Ein schickes Büro hoch oben in einem New Yorker Glasturm. Einer der Autoren von „Tonight with Katherine Newbury“ möchte eine Gehaltserhöhung. Er argumentiert mit seiner familiären Situation. Als frischgebackener Vater kann er die junge Familie kaum über die Runden bringen. Aber Chefin Katherine (Emma Thompson) lässt sich davon nicht nur nicht beeindrucken. Sie gerät im Gegenteil richtig in Rage. Der Bittsteller versuche, sich mit vermeintlich weiblichen Argumenten – die Kindererziehung – einzuschmeicheln. Eine wirkliche Frau im Beruf würde sich sowas jedoch nie trauen, sondern immer nur auf ihre Leistungen verweisen. Kurzum, wegen „Sexismus“ wird der Autor kurzerhand gefeuert.

Die etwas gewöhnungsbedürftige Logik dieser Argumentation wirft ein Schlaglicht auf Nighttalkerin Katherine und ihre Branche. Katherine hat in 30 Karrierejahren gelernt, immer als die schlaueste und schlagfertigste zu gelten – ein Ruf, den sie mit sadistischem Vergnügen und mit Klauen und Zähnen ständig aufs Neue untermauert. Denn hinter den Kulissen der locker-flockigen Unterhaltungsshow geht es knallhart zu. Jeder sägt am Stuhl des anderen. Jeder kann jeden Moment rausfliegen. Und wer sich oben hält, hat längst Haare auf den Zähnen.

Katherine ist also nicht nur witzig, sondern vor allem arrogant, selbstverliebt und ein bisschen größenwahnsinnig. Souverän ignoriert sie die seit Jahren fallenden Quoten. So lange, bis ihr die Senderchefin (Amy Ryan) ankündigt, dass ihr Vertrag nicht verlängert wird. Will Katherine ihren Job trotzdem retten, muss sie ganz schnell die Zeichen der Zeit erkennen. Das heißt vor allem, ihr Image als Frauenhasserin abzulegen, denn in ihrem Autorenteam gibt es ausschließlich männliches Personal. Das ist die Chance von Molly (Mindy Kaling). Ohne Erfahrung, aber mit dunkler Hautfarbe und großer Klappe, wirbelt die indisch stämmige Newcomerin das Leben und die Wertvorstellungen der älteren weißen Dame gründlich durcheinander.

Drehbuchautorin Mindy Kaling kennt die Regeln des Fernsehens von innen. Sie war die einzige Frau im achtköpfigen Autorenteam der Serie „The Office – Das Büro“ und bekam später ihre eigene Serie „The Mindy Projekt“. Sie weiß, wie man sich als Anfängerin und Praktikantin fühlt, aber auch, wie es ist, es endlich geschafft zu haben. Das lässt sich im Film bei aller Zuspitzung spüren, etwa wenn sie heulend unter ihren Schreibtisch kriecht, oder wenn sie unbefangen drauflosplappert und ihrer Chefin unverblümt „Bequemlichkeit“ vorwirft, die sie als die Wurzel des Quotentiefs ausgemacht hat. Wie es sich für einen Film über „Late Night“ gehört, sind die Dialoge dabei frech, überraschend und perfekt getimt.

Überhaupt verweist die Schlagfertigkeit der Wortgefechte auch auf die persönliche Karriere von Hauptdarstellerin Emma Thompson, die zwar mehr für ernste Charakterrollen berühmt ist, aber während ihres Studiums auf einer Studentenbühne in Sketchen aufgetreten ist und später in der englischen Comedy-Serie Alfresco mitspielte. Mindy Kaling hat Thompson die Rolle auf den Leib geschrieben. Zu den schönsten und lustigsten Szenen gehört deshalb der spontane Auftritt ihrer Figur Katherine auf einer kleinen Standup-Comedy-Bühne. Dort versucht sie es zuerst mit einem Witz über Twitter, erntet aber beim Social-Media-affinen Publikum betretenes Schweigen. Es folgen peinlich lange Sekunden der Stille, bis Katherine das Ruder herumreißt und von ihrem bevorstehenden Rausschmiss erzählt. Und von den Problemen vieler Fernsehfrauen jenseits der 40: „Tom Cruise ist genauso alt wie ich, er darf gegen die Mumie kämpfen. Ich bin die Mumie“.

„Late Night – Die Show ihres Lebens“ wirft einen humorvollen und tiefgründigen Blick hinter die frauenfeindlichen Mechanismen des Nighttalk-Geschäfts. Der Film funktioniert wie das Format selbst: Mit Witz, Selbstironie und einer guten Portion Sarkasmus. Glücklicherweise lässt Regisseurin Nisha Ganatra ihr weibliches Hauptdarstellerduo aber nicht im Sumpf kaltschnäuziger Überheblichkeit versinken, sondern fängt es mit warmherzigem Humanismus auf.

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Länge: 102 min

Kategorie: Comedy, Drama

Start: 29.08.2019

cinetastic.de Filmwertung: (7/10)

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Info

Late Night – Die Show ihres Lebens

Geschrieben von Peter Gutting

Länge: 102 min
Kategorie: Comedy, Drama
Start: 29.08.2019

Bewertung Film: (7/10)

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