Im Zuge der Einführung der DSGVO gab es im letzten Jahr zahlreiche Diskussionen über das Recht am eigenen Bild, über Videoüberwachung an öffentlichen Orten und über das Thema, wann man von einer fremden Person wirklich eine Einverständniserklärung benötigt, wenn man diese (unerlaubterweise) dann doch einmal filmt.
All diese Gedanken hat sich Regisseur und Drehbuchautor Gerd Conradt leider nicht gemacht, denn in seiner Dokumentation „Face_It! – Das Gesicht im Zeitalter des Digitalismus“ konzentriert sich dieser vielmehr auf ein Pilotprojekt der Bundesregierung und der Deutschen Bahn, bei dem am Berliner Bahnhof Südkreuz ein System zur Gesichtserkennung eingesetzt wird.
Bei eben diesem System werden Besucher des Bahnhofs mit unzähligen Kameras gefilmt, ihre Bilder digital in einem dafür konzipierten System gespeichert, woraufhin man diese hinterher mittels künstlicher Intelligenz wiederrum auswerten kann. Hier setzt man gezielt auf auswertbare Mimik des Gesichtes, welches Freude, Enttäuschung, Leid und andere Gemütszustände wiederspiegeln kann. Natürlich gibt es noch Querverweise zu anderen internationalen Datenbanken, was im Rahmen dieser Dokumentation allerdings nicht weiter erläutert wird.
Für Regisseur Gerd Conradt und seine zahlreichen Interviewpartner steht eine objektive Beurteilung dieses Projektes aber sowieso nicht an erster Stelle, denn während Aktivist und Datenschützer padeluun eine Brandrede gegen die Datensammelwut hält, argumentieren die Literatur- und Kulturwissenschaftlerin Sigrid Weigel sowie der Coach Holger Kunzmann stets gegen Gesichtserkennung und die Digitalisierung an sich, wurde ihrer Meinung nach doch mit einem solchen System noch nie ein Terroranschlag vereitelt.
Natürlich ist diese Sichtweise und auch diese Argumentation deutlich zu kurz gegriffen, denn während man von vereitelten Anschlägen zumeist nichts erfährt, gibt es doch deutliche und vor allem nachweisbare Handlungserfolge, wenn um es die Ergreifung von Verbrechern geht, die nach ihrer Tat von Videokameras festgehalten wurden. Natürlich sollte man jede Speicherung von Daten ganz genau hinterfragen, denn Gesichtserkennung kann nicht nur zur gezielten Verbrechensbekämpfung eingesetzt werden, sondern für allerlei anderer Dinge, wenn es um das Thema der digitalen Profile in unserer Zeit geht.
Ein mahnendes Beispiel sollte dabei vor allem ein in China eingeführtes System sein, bei dem nicht nur die Bevölkerung komplett erfasst wird, sondern auch Querverweise zu Meinungen in Sozialen Medien gezogen werden, was sich letzten Endes sogar auf die Kreditwürdigkeit bei der Bank auswirken kann. In einem solchen Überwachungsstaat sind wir zum Glück noch nicht angekommen, denn wie die Staatsministerin für Digitalisierung so schön sagt, es geht darum mit diesem Thema besonnen umzugehen, Vorteile wie auch Nachteile zu analysieren und dann das Beste daraus zu machen.
Genau diese kritische Hinterfragung fehlt dem Zuschauer bei dieser Dokumentation zumeist, denn mit Ausnahme von Dorothee Bär (Ministerin für Digitalisierung) wird doch beinahe ausnahmslos ein fast schon ablehnender und sehr kritischer Ton diesem Thema gegenüber an den Tag gelegt. Genau das ist zuweilen überaus Schade, hätte das Thema der automatischen Gesichtserkennung und der anschließenden Verarbeitung doch vor allem ein wenig mehr Objektivität verdient gehabt.
Mit seiner Dokumentation „Face_It! – Das Gesicht im Zeitalter des Digitalismus“ versucht Regisseur und Drehbuchautor Gerd Conradt ein Pilotprojekt am Berliner Bahnhof Südkreuz zu hinterfragen. Was im Ansatz wirklich gelungen erscheint, hätte übergreifend vor allem Interviewpartner mit ein wenig mehr Objektivität benötigt.