Der japanische Zeichentrickfilm „Mary und die Blume der Hexen“ basiert auf einer europäischen Kinderbuchvorlage, bezaubert aber vor allem mit seinem beinahe schon „klassisch“ zu nennenden Look. Der Anime von Regisseur Hiromasa Yonebayashi sieht nicht von ungefähr aus, als wäre es beim legendären Anime-Studio Ghibli entstanden. Allein die Geschichte ist ein wenig eindimensional.
Das Mädchen Mary verbringt die Sommerferien allein bei ihrer Tante auf dem Land. Das Mädchen kennt hier niemanden, der Fernseher im Haus ist auch kaputt und der Gärtner kann mit der gut gemeinten, aber ungeschickten Hilfe auch nichts anfangen. Also erkundet Mary die Gegend.
Als sie einer schwarzen Katze folgt, die bei einem Jungen aus dem Dorf lebt, entdeckt Mary im Wald eine Hexenblume. Deren Blüten haben Zauberkraft und so verwandelt sich ein Besen in ein fliegendes Gefährt, das Mary zu einer Hexenschule fliegt. Vom Stallmeister, einem sprechenden Kater, gemaßregelt, bemerkt Mary, dass man sie für die neue Hexen-Schülerin hält. Aber nicht alle hier sind dem Mädchen wohlgesonnen.
Die Vorlage, die sich der erfahrene Animationsfilmer und Regisseur Hiromasa Yonebayashi („Ponyo“, „Der Mohnblumenberg“) für seine dritte Regiearbeit ausgesucht hat, stammt wie schon bei „Arrietty“ (2010) und „Erinnerungen an Marnie“ (2014) von einer europäischen Autorin. Mary Stewart schickte ihre kleine Hexenschülerin 1971 in den Unterricht. Die Geschichte mit dem Originaltitel „The Little Broomstick“ wurde auch als „Der verhexte Besen“ auf Deutsch verlegt, scheint momentan aber vergriffen zu sein.
Wie auch immer, anders als man das von vielen Animationsfilmen aus dem Hause Ghibli kennt, für die Hiromasa Yonebayashi lange Jahre kreativ tätig war, fehlt der Geschichte von „Mary“ eine Dimension, die auch für ältere, erwachsene Zuschauer interessant wäre. Der Film hält sich ganz an das moderne Märchen. Zwar war der Erfolg an der japanischen Kinokasse souverän, aber inhaltlich weiß „Mary und die Blume derHexen“ nicht komplett zu überzeugen. Erzählerisch ist der Film – man möchte sagen – kindgerecht nachvollziehbar und hat kaum überraschende Wendungen anzubieten.
Stilistisch knüpft „Mary und die Blume der Hexen“ an Ghibli-Traditionen an, obwohl der Film bei den neu gegründeten Animationsstudio Ponoc erschienen ist. Das verwundert nicht, wenn man weiß, das hinter Studio Ponoc der langjährige führende Ghibli-MitarbeiterYoshihaki Nishimura steht. Viele der Animationskünstler sind zu dem neu gegründeten Studio gefolgt, nachdem klar war, dass Ghibli selbst eher schwere Zeiten ins Haus stehen. Das hat einerseits mit der aufwändigen Art der Animation und Filmherstellung zu tun, andererseits aber auch damit, dass der finanzielle Erfolg der letzten Filme nicht den Erwartungen entsprach. Einen Umschwung im Publikumsgeschmack scheint es aber dennoch nicht gegeben zu haben, wenn man sieht, wie gut „Mary und die Blume der Hexen“ in Japan angenommen wurde.
Wer also auf japanische Zeichentrickfilme in Stil des Studio Ghibli steht, wird auch bei „Mary“ optisch opulent und stilvoll unterhalten. Eine zusätzliche Bedeutungs- oder Interpretationsebene sucht man indes vergeblich.