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Euphoria

Geschrieben von Frank Schmidke am 18. Mai 2018

Mit ihrem dritten Spielfilm „Euphoria“ betritt die schwedische Autorenfilmerin Lisa Langseth internationales Terrain und inszeniert die dramatische Geschichte zweier Schwestern, die sich voneinander entfremdet haben. Mit Alicia Vikander, Eva Green und Charlotte Rampling ist das Drama hochkarätig besetzt, hat aber inhaltlich und inszenatorisch so seine Längen. Aber: Wer sich auf das Setting einlässt, kommt unweigerlich dazu, sich mit einem diskussionswürdigen Tabuthema zu beschäftigen.

Die Schwestern Emilie (Eva Green) und Ines (Alicia Vikander) haben jahrelang keinen Kontakt mehr gehabt. Nun aber hat Emilie ihre jüngere Schwester zu einer Urlaubsreise nach Europa eingeladen. Ines lebt als Künstlerin in New York, muss aber gerade derbe Kritiken für ihre letzte Ausstellung verdauen. Vielleicht ist das der einzige Grund, warum sie sich auf das Treffen mit ihrer Schwester einlässt.

Emilie ihrerseits hat Ines auch längst nicht alles erzählt und aus dem Ziel ihrer Reise ein ebenso großes Geheimnis gemacht wie aus dem Anlass. Nachdem die Schwestern sich am Flugplatz getroffen und eine Nacht in einem Nobelhotel verbracht haben, geht es per Limousine in eine nicht näher bestimmte Region in den Bergen. Dort werden Emilie und Ines mitten im Wald ausgesetzt und von einer seltsamen Willkommensabordnung in Empfang genommen. Die ältere Marina (Charlotte Rampling) stellt sich als persönliche Begleiterin für die Besucherinnen vor und geleitet die Schwestern zu einem mondänen Anwesen. Hier sollen die Schwestern ihre Angelegenheiten nur klären, sofern es nach Emilie geht.

Es ist ein große Qualität des Dramas „Euphoria“, dass der Zuschauer am Anfang ebenso wenig weiß, worauf er sich eingelassen hat, wie die jüngere Schwester Ines. Das Verhältnis der beiden Geschwister ist ebenso unterkühlt wie bemüht und Emilies Geheinmiskrämerei trägt auch nicht gerade dazu bei, die Spannung zu lösen. Spätestens aber, wenn Emilie sich beim Essen im Nobelrestaurant übergibt, schwant einem schon, dass hier Dramatisches lauert. Dass die Reise schließlich zu einem sektenartigen Anwesen in der Abgeschiedenheit der Berge führt, überrascht und lässt dem Drama alle Möglichkeiten offen.

Dann aber kommt es zu einer Offenbarung und im Anschluss verläuft der Film in vergleichsweise absehbaren Bahnen. Wer sich nicht um die recht sorgsam aufgebaute emotionale Spannung in „Euphoria“ bringen möchte, sollte es an dieser Stelle der Filmbesprechung gut sein lassen. Immerhin ist es trotz allem recht unterhaltsam den großartigen Schauspielerinnen zuzusehen. Damit kann man schon mal eine Kinostunde verbringen.

Denn es hilft nichts, um den heißen Brei herumzureden. Emilie hat Krebs im Endzustand und ist – wie viele Gleichgesinnte – in dieses abgelegene Anwesen gekommen, um hier ihre letzten Tage zu verbringen, bevor sie selbstbestimmt aus dem Leben scheidet. Für Ines ist dies nicht nur ein emotionaler Schock, sondern auch der Auslöser, auf der Stelle wieder abzureisen. Das ist allerdings nicht ohne weiteres möglich. Und so müssen die ungleichen Schwestern sich zwangsweise miteinander und mit der Situation beschäftigen. Dass dabei die gemeinsame Kindheit mit der alleinerziehenden Mutter und auch deren Tod, den Ines nur aus der Ferne registriert hat, zum Thema wird, versteht sich von selbst.

Regisseurin Lisa Langseth hat einmal Philosophie studiert und so verwundert es nicht, dass dieser Film über die letzten Dinge und eine schwierige Familienkonstellation ein wenig an eine Versuchsanordnung erinnert. Das hat durchaus seinen Reiz und fokussiert auch auf das Geschwisterverhältnis und das Thema Sterbehilfe. Andererseits ist es auch absurd anzunehmen, dass zwei erwachsene und attraktive Frauen so ganz ohne Beziehungen und ohne weitere Familie durchs Leben gehen.

Es gab in den letzten Jahren immer wieder Filme über das wichtige und kontroverse Thema Sterbehilfe. Hierzulande ist diese Praxis verboten, weswegen Florian David Fitz‘ Charakter in „Hin und weg“ (2014) nach Ostende radeln musste. Das ältere Ehepaar in Bille Augusts „Silent Heart – Mein Leben gehört mir“ (2014) schert sich nicht darum, ob Selbstmord verboten ist, und lädt die erwachsenen Kinder mitsamt Familien auf ein letztes Wochenende ein.

In „Euphoria“ wird das Thema eher oberflächlich abgehandelt. Zwischen den beiden Schwestern sind nach dem obligatorischen „Du musst dich behandeln lassen.“-„Nützt nichts mehr.“-Dialog andere Themen wichtiger. Auch Charlotte Ramplings Charakter hat im Grunde nur Floskeln anzubieten. Da hätte es durchaus ein wenig mehr sein dürfen. Was auch für die beiden Nebenfiguren gilt, auf die die Schwestern hier in dieser „Zauberberg“-Klinik treffen. Ihre dramaturgische Aufgabe ist offensichtlich, Aspekte der Sterbehilfe, des selbstbestimmten aus dem Leben Scheidens zu illustrieren. Das überzeugt nicht immer, gibt aber Diskussionsimpulse, wenn man sich mit dem Thema auseinandersetzen will. Ein Film muss dabei nicht originell sein, wenn er emotional bewegt.

Für das Geschwisterdrama sind andere Aspekte wichtiger, nachdem klar und akzeptiert ist, dass die eine sowieso sterben wird. Eva Green und Alicia Vikander, die mit der Regisseurin schon in deren ersten beiden Filmen zusammenarbeitete, holen alles aus ihren Charakteren heraus und sorgen so tatsächlich für eine dramatische Geschichte, der man durchaus folgen mag und an der man sich reiben kann, selbst wenn man inhaltlich nicht mit der Aussage des Films übereinstimmt oder die Prämisse anzweifelt.

Lisa Langseths Drama um zwei ungleiche Schwestern ist vielleicht ein bisschen zu überfrachtet, aber die großartigen Darstellerinnen reißen es dann doch wieder heraus und geleiten die Zuschauer auch durch filmische Längen.

 

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Wir vergeben daher 6 von 10 Filmpunkten.

Copyright: Wild Bunch

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Länge: 104 Minuten

Kategorie: Adventure, Drama

Start: 24.05.2018

cinetastic.de Filmwertung: (6/10)

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Info

Euphoria

Geschrieben von Frank Schmidke

Länge: 104 Minuten
Kategorie: Adventure, Drama
Start: 24.05.2018

Bewertung Film: (6/10)

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