Nur wenige Dokumentationen schaffen es auf visueller und inhaltlicher Ebene gleichermaßen zu begeistern, Filmemacher Ziad Kalthoum ist dieses Kunststück nun zweifelsohne gelungen. Dieser erzählt in „Taste of Cement“ von Aufbau und Zerstörung, von Flüchtlingen als Arbeitern und von Wolkenkratzern als stille Zeitzeugen, die inmitten von Kriegen stehen.
In Ziad Kalthoums neuester Dokumentation steht Beirut im Mittelpunkt des Geschehens, jene Stadt, in der bis vor kurzem noch ein unerbittlicher Krieg tobte und die nun auf einer Welle von Arbeitern getragen wird, um möglichst schnell zu neuem Glanz zu erstrahlen. Ebene jene Arbeiter gehören aber auch zu den unbeliebten Menschen des Landes, denn nachdem in Syrien ein Bürgerkrieg ausgebrochen ist, flohen diese zu Hunderttausenden in den Libanon.
Neben Schutzsuchenden waren unter ihnen zahlreiche Bauarbeiter, die ihre Familien zurückgelassen haben, um die Städte eines Nachbarlandes wieder aufzubauen. Eines Tages werden diese zurückkommen, um ihr eigenes Land wieder aufzubauen; bis es aber so weit ist, muss fern von den Liebenden Geld verdient werden. Dieser Widerspruch wird bereits in den ersten Minuten des Films deutlich, wenn die Kamera aus einer Häuserschlucht nach oben hinweg ein altes Hochhaus einfängt und sich direkt gegenüber der zerbombten Fassade ein neuer Wolkenkratzer abhebt.
Die Szenerie wechselt und nun befindet sich der Zuschauer hoch oben auf einem der Wolkenkratzer, von wo aus man nicht nur einen herrlichen Überblick über die Stadt, sondern gleichfalls auch über das angrenzende Meeres erhält. Für die zahlreichen syrischen Bauarbeiter ist dieser Ausblick aber kein Trost, stattdessen sieht der Zuschauer diese unerbittlich schuften. Stahl wird geschweißt, Träger getragen, Zement gegossen. Die Arbeiter sind zumeist ungesichert, bewegen sich hoch oben auf der Plattform, während der Kran unermüdlich neues Material nach oben schafft.
Eine tiefergehende Geschichte wird in „Taste of Cement“ nicht erzählt, stattdessen lässt Ziad Kalthoum den Zuschauer beobachten und seine Arbeiter ihre individuellen Geschichten erzählen. Zumeist blickt die Kamera sehr lange in ihre Gesichter, im Hintergrund hört man die Hämmer und Presslufthämmer schlagen, während Geschichten von Sehnsucht und Heimat an die Oberfläche dringen. Das Leben als syrischer Arbeiter hat aber auch seine Schattenseiten, was dem Zuschauer aber erst später mit einem Schild am Gebäude klar gemacht wird. Nach 19 Uhr ist das Verlassen der Baustelle verboten, doch was hat dies zu bedeuten?
Während die Arbeiter am Tag auf dem Gebäude sind, verschwinden diese des Nachts in den zahlreichen Kellern, denn der Aufenthalt außerhalb steht unter strenger Strafe. Dort sieht der Zuschauer diese nun in beengten Räumen sitzen, schlafen oder fernsehen, wo wiederum der Krieg in ihrem Heimatland gezeigt wird. Es sind aber nicht nur die Bilder, die „Taste of Cement“ so einzigartig werden lassen, es sind nicht nur die Geschichten der Arbeitgeber, es ist vor allem der Widerspruch und der entstehende Kreislauf.
Es ist ein Kreislauf von Krieg und Frieden, von Zerstörung und Wiederaufbau, von Neubeginn, gleichwohl aber auch von einer rastlosen Suche nach Arbeit. Bemerkenswert wird dies im letzten Drittel dargestellt, wenn die Perspektive von einem langen Kran-Arm zu dem Geschützrohr eines Panzers wechselt. War man vor wenigen Sekunden noch hoch oben auf dem Gebäude, ist man nun am Fuß von einem und zerstört mit unglaublicher Kraft das, was vor kurzem erst aufgebaut wurde. Krieg und Zerstörung, Frieden und Neubeginn.
Mit „Taste of Cement – Der Geschmack von Zement“ präsentiert Ziad Kalthoum eine unglaublich intensive Dokumentation, die man allein wegen der Bilder unbedingt im Kino gesehen haben sollte. Absolut zu empfehlen und schon jetzt eines der Doku-Highlights des Jahres 2018.