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Das Kongo-Tribunal

Geschrieben von Frank Schmidke am 10. November 2017

Milo Rau ist ein politischer Theatermacher, der seine Projekte gelegentlich auch crossmedial aufbereitet und als Buch und/oder Film zu vermarkten weiß. Das ist durchaus plausibel, um ein breiteres Publikum zu finden und die politischen Anliegen, um die es dem Theatermann geht, auch ins öffentliche Bewusstsein zu bringen. Mit „Das Kongo-Tribunal“ hat sich Milo Rau die anhaltenden Bürgerkriegsmassaker im Kongo performance-mäßig vorgenommen. Keine leichte Kost.

Seit mehr als zwei Jahrzehnten kommt das zentralafrikanische Land Kongo nicht zur Ruhe: Immer wieder sorgen Militärputsche für veränderte Machtverhältnisse und rassistisch motivierte Kämpfe wüten in der Gegend. Die Bevölkerung verarmt aufgrund der andauernden Konflikte zusehends. Dennoch ist das Gebiet, auf dem sich die beiden Staaten Demokratische Republik Kongo mit der Hauptstadt Kinshasa und die Republik Kongo mit der Hauptstadt Brazzaville befinden, eine Gegend, die enorm reich an Rohstoffen ist. Das ist auch für ausländische Konzerne interessant und absurder Weise verhökern die gerade an der Macht befindlichen Milizen die Abbaurecht immer wieder an den Höchstbietenden, um es einmal derb vereinfacht zu sagen.

Der Schweizer Theater-Regisseur Milo Rau hat sich einem politischen Theater verschrieben, das Missstände aufzeigen und die Gesellschaft aktiv verändern will. Das mag, wie jüngst die Revolution am Reichstag, eher performance-artige Züge tragen, oder aber wie in den „Schauprozessen“ eindeutig menschenrechtlerische Ambitionen zeigen. Bereits in „Die letzten Tage der Ceaucescus“ (2011) und „Die Moskauer Prozesse“ (2014) hatte Milo Rau auf der Theatherbühne eine Art öffentlichem Schauprozess inszeniert, in dem Fürsprecher der Opfer und Täter ihre Sicht der Dinge vor einer unabhängigen Experten-Jury darstellen können. Das Publikum ist dabei ebenso ein Teil der Aufführung wie auch Regisseur Milo Rau selbst. Anschließend fällt eine Geschworenen-Jury ihr Urteil.

Im Fall des Kongo-Tribunals wird der Prozess zunächst tagelang im Kongo selbst abgehalten und zugleich filmisch festgehalten und anschließend noch einmal in Berlin vor einer internationalen Jury weiter ausgeführt beziehungsweise noch einmal durchexerziert. Absurder Weise stoßen Milo Rau und sein Filmteam während der Vorbereitungen direkt auf ein Massaker in einem kleinen Dorf. Das findet auch sogleich Eingang in das Tribunal, in dem es vorrangig darum geht, warum die Regierung und die Konzerne der lokalen Bevölkerung gegenüber die Zusagen nicht eingehalten haben, die mit dem Abbau von Rohstoffen einhergingen.

Es ist nicht leicht, sich im Kinosaal in die Situation des „Kongo-Tribunals“ hineinzufinden, denn Milo Rau verzichtet bei der filmischen Aufarbeitung komplett auf einleitende Informationen und kommt direkt zur Sache. Dem aufmerksamen, weltpolitisch interessierten Zuschauer wird sich der Themenkomplex und der Sachverhalt mit der Fortdauer des Films erschließen und der wichtige Film wird sicher zur eigenen Recherche und Nachbereitung animieren, aber anders als in „Die Moskauer Prozesse“ gibt sich Milo Rau keinerlei Mühe, die Kino-Zuschauer mitzunehmen.

Das mag Absicht sein oder auch inhaltliche Überforderung oder schlicht nur mäßig sorgfältige Dokumentation seines enormen weltpolitischen Theaterprojektes. Vielleicht reicht aber auch die Spielzeit der Dokumentation einfach nicht aus und Rau hätte seinen Film gleich länger anlegen sollen. Der ambitionierte Theaterprozess hat schon für etliche Furore gesorgt und es in diverse Feulletons geschafft und auf das Leid und Elend im Kongo aufmerksam gemacht. Mission also schon erfüllt? Angesichts des engagierten Wirkens des umtriebigen Theatermannes Milo Rau mag man das nicht annehmen.

Selbst wenn die filmische Umsetzung des Theater-Projektes „Das Kongo-Tribunal“ nicht so überzeugend gelungen ist wie die Dokumentation „Die Moskauer Prozesse“ hat „Das Kongo-Tribunal“ weltpolitisch und historisch doch eine wesentlich größere Dimension. Ein ebenso wahnwitziges wie wichtiges Projekt, das aber eine sehr spezielle, interessierte Zuschauerschaft ansprechen wird. Politisches Theater.

 

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Länge: 100 Minuten

Kategorie: documentary

Start: 16.11.2017

cinetastic.de Filmwertung: (7,5/10)

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Info

Das Kongo-Tribunal

Geschrieben von Frank Schmidke

Länge: 100 Minuten
Kategorie: documentary
Start: 16.11.2017

Bewertung Film: (7,5/10)

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