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Porto

Geschrieben von Peter Gutting am 4. August 2017

Porto

Im Juni letzten Jahres starb Hollywood-Star Anton Yelchin („Star Trek“) bei einem tragischen Autounfall. Damals hatte der 27-Jährige bereits einige Filme abgedreht, die erst jetzt ins Kino kommen. Einer davon ist das Regiedebüt des Brasilianers Gabe Klinger. Die stilistisch reizvolle Independent-Romanze lässt dem männlichen Hauptdarsteller viel Raum, sich von seiner zerbrechlichen Seite zu zeigen.

PortoUnsicher betritt ein junger Mann ein Café. Zögerlich durchquert er den Raum, so als könnte ihn jeden Moment der Erdboden verschlucken. Er setzt sich an einen Tisch, und ganz am anderen Ende erblickt er die junge Frau, von der er gehofft hatte, sie könnte hier sein. Der junge Mann fasst sich ein Herz und es beginnt eine Nacht, die ihm für kurze Zeit wieder Boden unter den Füßen verschafft – indem sie ihn zugleich schweben lässt wie in einem nie erlebten Raum-Zeit-Gefühl.

Der Gang durch die Straßen, das Anzünden einer Zigarette, die existenzialistisch angehauchten Dialoge lassen ein Kino auferstehen, das vor einem halben Jahrhundert seine große Zeit hatte. Eine Frau, einen Mann, eine Kamera und eine Stadt – mehr brauchte auch Jean-Luc Godard in „Außer Atem“ nicht, um die uralte Geschichte „Boy meets Girl“ erfrischend neu zu erzählen. Stilistisch knüpft Gabe Klinger bei solchen Vorbildern an – etwa mit dem Aufbrechen herkömmlicher Erzählstrukturen.

PortoZu Beginn liegen der Amerikaner Jake (Anton Yelchin) und die Französin Mati (Lucie Lucas) auf der Matratze in einer großzügigen, aber noch nicht eingerichteten Wohnung direkt am Fluss. Die Nacht, von der der Film erzählt, ist da bereits vorüber. Die Stimmen der Liebenden kommen aus dem Off. Schnell wechselt der Film die Zeitebene und sogar das Leinwandformat. Die schmalen Super-8-Bilder machen deutlich, dass sich das Raum-Zeitgefühl geändert hat. Jake ist wieder der einsame Wolf, der verloren durch die Stadt tigert. Alles, was in der einen Nacht geschah, ist Erinnerung. Vielleicht wird das Geschehen verklärt, vermutlich haben es beide unterschiedlich erlebt. Auf jeden Fall sehen wir durch diesen Filter großes Kino, allein schon durch das breite Format.

Im ständigen Wechsel der Zeitebenen und Perspektiven löst sich auch für den Zuschauer die feste Orientierung des gewöhnlichen Alltags auf. Er darf sich durch diese Nacht treiben lassen wie die Liebenden, denen das zauberhafte Erlebnis, wie auf der Dialogebene mehrfach betont wird, einfach geschieht, ohne dass sie es willentlich beeinflussen könnten. Aber wer sind diese Fremden, die sich in einem Durchgangsstadium ihres Lebens in Porto begegnen? Darüber verraten Gabe Klinger und sein Co-Autor wenig. Nur so viel, um sie als geheimnisvoll-tragische Charaktere erscheinen zu lassen. Aber nicht genug, um sie psychologisch zu grundieren. Im Vergleich mit der stilistischen Raffinesse erscheint die inhaltliche Basis des Films daher recht dünn und vor allem unentschieden. Statt die Charaktere mit Mysterien aufzuladen, wäre es wohl besser gewesen, die Vorgeschichte komplett auszublenden und sich ganz auf das Driften durch eine unwiederbringliche Gegenwart zu verlassen.

PortoDer fehlenden inhaltlichen Substanz helfen auch die philosophisch aufgeladenen Dialoge nicht weiter, die zuweilen wie Stützmauern wirken, um die experimentelle Erzählstruktur zusammenzuhalten. Viele der bedeutungsschwangeren Dialoge wären verzichtbar gewesen, weil die Schauspieler allein durch ihre Präsenz die Geschichte tragen. Der Regisseur hätte in seinem Spielfilmdebüt durchaus stärker auf die Chemie der Darsteller vertrauen können und vor allem auch auf die Kunst seines Kameramanns Wyatt Garfield, der die portugiesische Hafenstadt in ein stimmungsstarkes, aber niemals postkartenartiges Licht setzt. Von den unverbrauchten Bildern einer Stadt der Liebe hätte man gern mehr gesehen. Etwa wie in dem Wien, das Richard Linklater für eine ähnlich unvergessliche Nacht in „Before Sunrise“ in Szene gesetzt hat.

„Porto“ besticht durch seine stilistische Eleganz und seine überzeugenden Darsteller. Wer den existenzialistischen Touch der Nouvelle Vague oder von Michelangelo Antonioni liebt, wird an dem Debüt von Gabe Klinger seine Freude haben. Wer jedoch eine psychologisch stimmige Beziehungsgeschichte sucht, könnte über die Leerstellen der Handlung und die unnatürlichen Dialoge stolpern.

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Wir vergeben daher 6,5 von 10 Filmpunkten.

Copyright: MFA, Double Play Films, LCC

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Porto

Länge: 76 min

Kategorie: Drama, Romance

Start: 14.09.2017

cinetastic.de Filmwertung: (6,5/10)

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Porto

Geschrieben von Peter Gutting

Länge: 76 min
Kategorie: Drama, Romance
Start: 14.09.2017

Bewertung Film: (6,5/10)

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