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Unsere kleine Schwester

Geschrieben von Frank Schmidke am 4. Dezember 2015

ct-unsere-kleine-schwester_stills_001Der japanische Filmmacher Hirokazu Kore-eda räumt mit seinen Familiengeschichten regelmäßig diverse Filmpreise ab. Auch „Unsere kleine Schwester“ war in Cannes für die Goldene Palme nominiert. Die Verfilmung einer Manga-Serie stellt vier Schwestern in den Mittelpunkt einer Erzählung, die weit über ein Familienstück hinausgeht. Erstaunlich und ebenso einnehmend wie irritierend ist die Luftigkeit, mit der „Unsere kleine Schwester“ über die Leinwand flackert.

ct-unsere-kleine-schwester_stills_002Die drei erwachsenen Schwestern Sachi (Haruka Ayase), Yosino (Masami Nagasawa), und Chika (Kaho) leben zusammen in ihrem Elternhaus in der japanischen Küstenstadt Kamakura. Bei der Beerdigung ihres insgesamt drei Mal verheirateten Vaters, der die Familie vor langer Zeit verlassen hat, lernen sie ihre Halbschwester Suzu (Suzu Hirose) kennen, die nun allein mit ihrer Stiefmutter leben soll. Sachi, die älteste, bietet dem Teenager an, zu den Schwestern zu ziehen und mit ihnen zu leben. Suzu nimmt die Einladung an und blüht auf.

„Unsere kleine Schwester“ (OT: „Umimachi Diary“, wörtlich „Tagebuch der Stadt an der Küste“) basiert auf der gleichnamigen erfolgreichen Manga-Serie der japanischen Comic-Künstlerin Akimi Yoshida. Seit 2007 erzählt die Mangaka nicht nur vom Alltag der Schwestern, sondern auch vom Leben in einer Kleinstadt. Genremäßig ist die Comic-Vorlage ein sogenanntes Josei-Manga, das sich vornehmlich an junge weibliche Leser wendet.

ct-unsere-kleine-schwester_stills_006Auch im Film steht der jugendliche Neuankömmling ein wenig im Mittelpunkt der vier Schwestern. Aber Regisseur Hirokazu Kore-eda („Like Father, Like Son“, „Still Walking“, „Nobody Knows“) gelingt es, aus der literarischen Vorlage einen großen Familienfilm zu machen, der für alle Altersgruppen gleichermaßen funktioniert und zu bezaubern weiß. Die Schwestern- und Familienkonstellation des Films hat enormes dramatisches Potential, das Hirokazu Kore-eda auch zu nutzen weiß. Allerdings auf erstaunlich leichtfüßige Weise. Vieles wird in „Unsere kleine Schwester“ nicht gezeigt, sondern nur erwähnt, zart angedeutet, aber keineswegs verharmlost oder ausgespart. Das mag den einen oder anderen Zuschauer an eine modernen Variante von Jane Austens Erzählweise erinnern.

ct-unsere-kleine-schwester_stills_007Es sind vor allem die Leerstellen, die dem Film seine Tiefe verleihen. Egal, ob es die in der Ferne lebende Mutter ist, eine sterbenskranke Imbiss-Besitzerin, oder der Verlust des Vaters selbst, die jungen Frauen haben einiges an emotionalen Problemen zu bewältigen. Durch die vier unterschiedlichen Charaktere gelingt es dem Film, immer wieder neue Blickwinkel auf dieselben Fragestellungen zu erschließen. Mit seinem ruhigen Rhythmus und dem beständigen Fokuswechsel von der schwesterlichen Kernzelle zu individuellen Wegen und zur kleinstädtischen Gemeinschaft, in der die Schwestern, jede auf ihre Weise, ein  fester Bestandteil sind, gelingt Hirokazu Kore-eda ein kompositorisches Meisterwerk. Und dabei gibt es immer genug Spielraum, dass die Zuschauer selbst Zusammenhänge erspüren können.

Sicher ist „Unsere kleine Schwester“ vor allem ein starker Frauenfilm mit großen Darstellerinnen. Den Film allerdings darauf zu reduzieren, hieße die volle Pracht nicht zu erkennen. Der Tod, der Verlust ist allgegenwärtig, aber selten zu sehen. Zudem aber werden beinahe schleichend auch gesellschaftliche Veränderungen sichtbar: durch Kleinigkeiten, Details, die teilweise sehr poetisch zeigen, wie in Japan Tradition und Moderne in Konflikt sind, Werte und Wünsche sich verschieben. Das ist vor allem für Außenstehende spannend zu verfolgen, und die wunderbaren Landschafts- und Stadtaufnahmen, die einmal etwas anderes zeigen als immer nur Tokio, wirken für sich selbst.

Mit großer Leichtigkeit und erstaunlicher Tiefgründigkeit erzählt „Unsere kleine Schwester“ vom Leben an sich. „Unsere kleine Schwester“ ist vielleicht einer der schönsten Filme des Jahres.  

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Wir vergeben daher 9 von 10 Filmpunkten.

Copyright: Pandora

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Länge: 128

Kategorie: Drama

Start: 17.12.2015

cinetastic.de Filmwertung: (9/10)

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Info

Unsere kleine Schwester

Geschrieben von Frank Schmidke

Länge: 128
Kategorie: Drama
Start: 17.12.2015

Bewertung Film: (9/10)

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