Wenn es um das Thema Fernsehserien geht, dann kann den USA kaum jemand etwas vormachen. Egal ob es nun diverse Produktionen sog. Networks sind oder eben die aufkommenden Eigenproduktionen im Video-on-Demand Markt von Branchenriesen wie beispielsweise Netflix und Amazon, die Karten sind klar verteilt und die Qualität spricht für sich. Nun allerdings muss der Blick auch nach Italien gerichtet werden, denn dort machte im letzten Jahr die Mafia-Serie „Gomorrha“ von sich reden, die nicht nur innerhalb des Landes einen gewaltigen Erfolg zu verbuchen hatte, sondern nun auch in den europäischen Nachbarländern ihren Siegeszug antreten wird.
Der 30-jährige Ciro (Marco D’Amore) ist im Waisenhaus aufgewachsen, musste sich irgendwie durchs Leben schlagen und ist nun Mitglied des Mafia-Syndikats Camorra, für das er allerhand Drecksarbeit zu erledigen hat. Brandstiftung, Mord, Raub, Ciro schreckt vor nahezu nichts zurück, um den mächtigen Paten Pietro Savastano (Fortunato Cerlino) zu beeindrucken. Als dieser schließlich eines Tages für diverse Verbrechen ins Gefängnis muss, liegt es an Savastanos Sohn Genny (Salvatore Esposito) die Geschäfte weiter zu führen, doch dieser scheint keinerlei Interesse daran zu haben. Während Ciro ihn beginnt für seine eigenen Interessen auszunutzen, beginnt Imma Savastano (Maria Pia Calzone) das Spiel zu durchschauen, doch plötzlich liegt ein Krieg gegen den verfeindeten Conte-Clan in der Luft, wodurch den Savastanos die endgültige Auslöschung droht.
Basierend auf dem erfolgreichen Roman „Gomorrha“ versuchte Autor Roberto Saviano (Gomorrha – Reise in das Reich der Camorra) ungeschönt den erschreckenden Alltag der Camorra in Bilder zu fassen. Herausgekommen ist dabei eine zwölfteilige Serie die in Italien unglaubliche Einschaltquoten zu verzeichnen hatte, was zum einen daran lag, da ein lokales über Jahrzehnte andauerndes Problem aufgegriffen wurde, zum anderen aber auch daran, dass die Familiengeschichte recht spannend aufbereitet wurde. Es folgten Auszeichnungen als Beste Fernsehserie im Bereich Drama, viel lobende Worte und nun auch eine Veröffentlichung in Deutschland, was für italienische Serien eine absolute Seltenheit ist.
Dass besagte Lorbeeren nicht von ungefähr kommen, wird der Zuschauer bereits nach den ersten zehn Minuten erfahren, denn dieser wird mit einem dreckigen und heruntergekommenen Neapel konfrontiert, in der die Gewalt regiert. Menschen werden auf offener Straße erschossen, in den unendlichen grauen Häuserschluchten tobt der Drogenkrieg, wo ein Leben keinerlei Wert zu haben scheint. Im Mittelpunkt bei alledem steht stets der 30-jährige Ciro, der mit einer Vielzahl von Problemen zu kämpfen hat. Der Ziehvater wird erschossen, die Polizei sucht einen Spitzel, der verfeindete Clan rüstet auf und ganz nebenbei verfolgt Ciro auch noch ganz eigene Interessen, wenn er die verschiedensten Parteien gegeneinander auszuspielen versucht.
Somit durchlebt auch der Zuschauer eine Art auf und ab, wenn er mit Ciro leidet, auf der anderen Seite aber auch einsehen muss, dass nicht alles Gold ist was glänzt. Die einen werden „Gomorrha“ womöglich mit den „Sopranos“ zu vergleichen versuchen, doch dieser Vergleich wäre ungerecht. Es geht ganz ohne Zweifel in beiden Serien vom Aufstieg und Fall zweier Verbrecherfamilien, doch wo bei „Sopranos“ sehr viel Wert auf die Figurenzeichnung und bestenfalls angedeutete Kriminalität gelegt wurde, wird der Zuschauer in „Gomorrha“ vielmehr mit menschlichen Abgründen konfrontiert. Hier überwiegt die Gewalt, das Leben und leben lassen, inmitten einer grauen Metropole, in der Menschen völlig austauschbar erscheinen.
Dies mag sich zuweilen etwas trist anhören, doch wenn „Gomorrha“ eines versteht, dann ist es das Erzählen einer ungemein spannenden Geschichte, bei der die Figuren wunderbar entwickelt sind, machen diese doch in genau zwölf Folgen eine merkliche Entwicklung durch. Ansichten ändern sich, Kinder werden erwachsen, was gestern noch als falsche Entscheidung abgetan wurde, rettet morgen bereits das Leben eines Familienmitgliedes. Wer vor Gewalt nicht zurückschreckt, wer gut unterhalten werden möchte und eine Serie über die italienische Mafia sucht, der wird „Gomorrha“ lieben. Der Redakteur dieses Artikels kann es zumindest kaum erwarten zu erfahren, wie es mit den Savastanos weitergehen wird. Eine zweite Staffel ist in Italien bereits beschlossene Sache, wann diese dann allerdings nach Deutschland kommen wird, steht in den Sternen.
„Gomorrha“ ist zweifelsohne eine der interessantesten Serien die das italienische Fernsehen in den letzten Jahren hervorgebracht hat. Eine wunderbare Figurenentwicklung, gnadenlos real und spannend bis zur letzten Minute. Wer mit einer expliziten Gewaltdarstellung leben kann, wird an dieser Fernsehserie seinen Gefallen finden.