Seit Jahrzehnten bereits weisen die unterschiedlichsten Klimaforscher auf die Erderwärmung hin, versuchen die Folgen deutlich zu machen und auf breiter Basis international um Hilfe zu bitten, wenn es darum geht, konkrete Pläne umzusetzen, um einen weiteren Anstieg der Temperaturen zu verhindern. Der Schweizer Dokumentarfilmer Matthias von Gunten versucht nun einen gänzlich anderen Ansatz bei diesem Thema zu verfolgen, wenn er nicht etwa weitere Wissenschaftler zu Wort bittet, sondern stattdessen jene Menschen sprechen lässt, bei denen die Katastrophe bereits angekommen ist.
Anhand von gleich zwei Fallbeispielen die gegensätzlicher kaum sein könnten, versucht Matthias von Gunten (Max Frisch, Citoyen), jene Menschen in den Mittelpunkt zu rücken, deren Existenz bereits heute vom voranschreitenden Klimawandel bedroht ist. Thule, ein Dorf im Norden Grönlands sowie Tuvalu, ein kleiner Inselstadt inmitten des Pazifischen Ozeans – doch was genau verbindet diese beiden Welten?
Für Rasmus Avike wäre die Antwort auf diese Frage absolut klar, denn während der Jäger aktiv miterleben muss, wie immer mehr Eis in Thule schmilzt und somit sein Jagdgebiet jedes Jahr kleiner werden lässt, bekommt Kaipati Vevea die Auswirkungen genau dieser Eisschmelze am eigenen Leibe zu spüren. Der höchste Punkt seiner Insel liegt grade einmal vier Meter über dem Meeresspiegel, in den letzten zwei Jahrzehnten stieg der Wasserspiegel um beinahe 20 Zentimeter an, die Folgen sind gravierend. Entwurzelte Bäume, wohin das Auge nur schaut, versalzenes Grundwasser und dazu die ständige Angst, die eigene Familie nicht mehr ernähren zu können.
In Thule wie auch in Tuvalu lebt man in einer engen Symbiose mit der Natur, man versucht mit dem Jagen von Narwalen zu überleben oder mit dem Fischfang und mit Hilfe von Kokosnüssen. Das Leben, wie sie es kannten, scheint jedoch bald vorüber zu sein. Was die Zukunft bringt, ist ungewiss, wie die Kinder in zehn Jahren ihren Lebensunterhalt bestreiten, vermag sich heute noch keiner auszumalen. Fakt ist, beide Orte unterliegen einem Wandel, ein Wandel, für den die Bewohner in beiden Orten doch nicht unbedingt etwas können, treiben doch ganz andere Nationen den Klimawandel und die Erderwärmung mit aller Kraft voran.
Durch die verschiedensten Protagonisten und Interviewpartner nehmen wir am Leben dieser betroffenen Familien teil, teilen ihre Ängste und Sehnsüchte, gleichwohl aber auch ihre Hoffnungslosigkeit, wenn niemand weiß, wo die Reise hingehen wird. In einer prägenden Szene versucht Matthias von Gunten, den Fokus kurz auf die Auswanderung nach Neuseeland zu legen, ein Ort, den die Menschen in Tuvalu mit Hoffnung verbinden, ein Ort, der gleichwohl aber auch Traditionen bedroht, kann man doch an nur einem Beispiel ablesen, wie schnell eine ganze Familie ihre Kultur vergessen kann.
Auf unterstützende Beiträge anerkannter Wissenschaftler verzichtet Matthias von Gunten bewusst, versucht er doch einzig und allein auf jene Menschen zu bauen, die am besten von ihren eigenen Problemen berichten können. Strukturell ist dies interessant gelöst, die Gegenüberstellung von gleich zwei Orten, die nichts und dennoch alles verbindet, ist klug gelöst. Doch schleichen sich mit voranschreitendem Verlauf immer mehr Längen ein. Bekanntes wird wiederholt, Geschichten ähneln sich, wodurch insbesondere die letzten zehn bis fünfzehn Minuten beinahe ermüdend wirken.
Der Schweizer Dokumentarfilmer Matthias von Gunten zeigt mit „ThuleTuvalu“ in beinahe erschreckender Leichtigkeit, dass der Klimawandel kein Problem von morgen ist, sondern dass wir bereits heute direkt mit den Folgen konfrontiert werden. Ein wichtiges Werk, das man gesehen haben sollte.