In den Niederlanden hat sich Alex van Warmerdam in erster Linie einen Namen als Schriftsteller, Maler und Theaterregisseur gemacht, außerhalb ist er am ehesten als Regisseur und Schauspieler bekannt, der immer wieder das gutbürgerliche Leben infrage zu stellen versucht. Sein letzter Film namens „Borgman“ wurde trotz aller abgehobenen Ideen sogar zu den Oscars zugelassen, wo er sich gegen die starken Mitbewerber jedoch nicht durchsetzen konnte.
Der Landstreicher Camiel Borgman (Jan Bijvoet) benötigt im Grunde nicht unbedingt viel zum Leben. Eine trockene Hütte im Wald, ein gemütliches Kopfkissen und dazu noch einige Konserven, um den Hunger zu stillen. Eines Tages wird genau diese Behausung von angrenzenden Bewohnern dem Erdboden gleich gemacht, woraufhin Camiel beginnt die Nachbarschaft zu erforschen. Er bleibt schließlich vor einem riesigen Anwesen stehen, wo TV Produzent Richard (Jeroen Perceval), dessen Frau Marina (Hadewych Minis), ihre drei Kinder sowie Kindermädchen Stine (Sara Hjort Ditlevsen) wohnen. Die simple Frage nach einem warmen Bad wird mit einem Faustschlag beantwortet, woraufhin Marina beginnt Mitleid zu zeigen und ihn im angrenzenden Gartenhäuschen einquartiert. Schon bald beginnt sich zwischen beiden eine seltsame Freundschaft zu entwickeln und als auch noch der Gärtner verschwindet, sieht Camiel seine Zeit gekommen, um frisch gewaschen zum Gegenangriff über zu gehen.
Wenn es um das Aufbrechen gutbürgerlicher Werte geht, dann sieht sich Regisseur und Drehbuchautor Alex van Warmerdam (Die Noorderlinger) auf einem der vordersten Plätze in seinem Land. Mit „Borgman“ präsentiert er nun den nächsten ungewöhnlichen Thriller, der mit zahlreichen Erzählebenen gegen Ende hin mehr Fragen offen lässt, als er letzten Endes beantwortet. Für das Drehbuch zeichnet sich van Warmerdam erneut selbst verantwortlich, wenn er mit der Erwartungshaltung des Zuschauers spielt und diese um nu zerbrechen lässt.
Bereits der Beginn von „Borgman“ könnte ungewöhnlicher kaum sein, wenn wir einen Priester und zwei Bauern schwer bewaffnet durch den Wald ziehen sehen, die ohne ersichtlichen Grund eine Hand voller Landstreicher aufs äußerste jagen. Was danach folgt ist ein langsam aufgebauter Home-Invasion-Thriller, der auf das gutbürgerliche Leben abzielt und mit steigender Tendenz die Positionen von Gut und Böse infrage stellt. Der im Mittelpunkt stehende Borgman bekommt insbesondere am Anfang sämtliche Sympathien zugespielt, während Richard als Grobian hingestellt wird, der keinerlei Ambitionen für ein Familienleben besitzt. Mit fortlaufender Spielzeit bekommt diese Geschichte diverse Sub-Plots verliehen, in denen immer wieder neue Figuren eingeführt werden, die zur Ratlosigkeit des Zuschauers beitragen.
Kann sich ein Gutmensch wie Borgman tatsächlich zum ultimativen Bösen entwickeln? Wieso fühlt sich Marina so schnell zu diesem hingezogen? Was wird aus den Kindern und ist es tatsächlich möglich, das eine bestehende Familienidylle so unglaublich schnell zerbricht? Das sind Fragen mit denen sich der Zuschauer konfrontiert sieht, die allerdings bestenfalls im Ansatz beantwortet werden. Vieles spielt sich an der Oberfläche ab, im Kopf des Zuschauers, der Verbindungen zieht und eine eigene Interpretation der Geschehnisse entwickeln muss.
Neben eben dieser interessanten mehrdimensionalen Geschichte bleibt eine ungewöhnliche Kameraarbeit, einige zur Hochform auflaufende Darsteller sowie jede Menge schwarzer Humor, der so manch Szene nicht nur ins groteske, sondern sogar ins lächerliche abgleiten lässt.
„Borgman“ ist ein ganz und gar ungewöhnlicher Home-Invasion-Thriller, welcher mit seiner Vielzahl an Erzählebenen nicht nur die Positionen von Gut und Böse infrage stellt, sondern gleichwohl den Zuschauer mit jeder Menge offener Fragen zurück lässt, die ganz unterschiedlich beantwortet werden können.