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Snowpiercer

Geschrieben von Frank Schmidke am 29. September 2014

Snowpiercer-01-ctEin endlos langer Zug fräst sich durch die froststarre Welt, an Bord die letzten Überlebenden der Menschheit. Mit der Comic-Adaption „Snowpiercer“ hat der koreanische Filmmacher Joon-Hoo Bong einen der besten Sci-Fi-Filme des Jahres vorgelegt. Trotz internationaler Koproduktion und Starbesetzung gab es um den US-Release ein absurdes Theater, weil Harvey Weinstein den Film zu kompliziert für das US-Publikum fand und rund 20 Minuten herauskürzen wollte. Inzwischen ist der hochgelobte Film allerdings auch in den USA angelaufen – im dort so genannten Director‘s Cut. Hierzulande erscheint „Snowpiercer“ in eben jener Version gerade für den Hausgebrauch.

Snowpiercer-02-ctUm den Klimawandel zu stoppen hat die Menschheit in der Gegenwart ein vermeintliches Wundermittel in die Atmosphäre gepumpt- mit desaströsen Folgen: eine neue Eiszeit macht den Planeten gänzlich unwirtlich und die Reste der Menschheit haben sich in einen Zug geflüchtet, der wie ein in sich geschlossenes Ökosystem funktioniert. Die Menschen sind streng hierarchisch auf die Waggons aufgeteilt. Während an der Zugspitze die Eliten ihren Lebensstil erhalten können, darbt die Mehrheit am Zugende unter Bedingungen wie in Elendsvierteln oder Konzentrationslagern. Und das seit nunmehr fast achtzehn Jahren.

Snowpiercer-03-ctEs brodelt unter den Menschen am Zugende und Curtis (Chris Evans) beschließt, einen Aufstand zu wagen. Scheinbar hat man Vebündete im vorderen Teil des Zuges, denn immer wieder werden mit den glibberigen Proteinriegeln, die die Nahrung der Leute darstellen, auch Nachrichten geschmuggelt. Obwohl Gilliam (John Hurt), der elder statesman der Gemeinschaft), die Zeit für noch nicht gekommen hält, ist Curtis entschlossen, die Maschine zu erobern und der Diktatur des Zugerfinders Wilford zu beenden. Dazu braucht es die Mithilfe des drogensüchtigen Ingenieurs Namgong Minsoo (Kang-Ho Song), der die Waggontüren öffnen muss. Doch der Weg nach vorne ist gut bewacht.

„Snowpiercer“ basiert auf der französischen Graphic Novel „Le Transperceneige“ und Regisseur Joon-Hoo Bong adaptiert die Comicvorlage als düstere, beengte Zukunftsvision. Die Lebensumstände am Zugende sind archaisch und grausam, der Weg zur Maschine von Gewalt und bösen Überraschungen gesäumt und je weiter die Aufständischen nach vorne gelangen, desto absurder und dekadenter werden die Abteile und ihre Bewohner. Auf der Leinwand wirkten die computeranimierten Außenkulissen noch ein bisschen schwächer als die Innenaufnahmen, auf dem TV-Bildschirm ist davon nichts mehr zu bemerken.

Snowpiercer-04-ctFilmisch ist „Snowpiercer“ ein extrem gestylter Actioner, der aber auch die nötige Tiefe und Symbolhaftigkeit nicht vermissen lässt und gekonnt zwischen archaischen Kloppereien und dramatischen Momenten hin und her wechselt. Das ist nicht nur der großartigen internationalen Besetzung geschuldet, sondern vor allem einem stimmigen filmischen Konzept und einem Budget, dass die angemessene Realisierung auch erlaubt. Und Filmmacher Joon-Hoo Bong schafft es gekonnt, westliche Sehgewohnheiten mit  asiatischer Filmästhetik zu verquicken. Das Ergebnis ist mehr als nur eine schnöde Endzeitparabel. „Snowpiercer“ ist auch storytechnisch bis ins Detail durchdacht und stimmig. Nicht umsonst fallen immer wieder Kernbegriffe wie geschlossenes Ökosystem und Erhalt des Gleichgewichtes, vorbestimmter Platz in der Gesellschaft und heilsbringender Wohltäter.

Snowpiercer-05-ctDie Zuggesellschaft ist totalitär, das Aufbegehren ein ebenso klassisch revolutionäres Motiv wie ein Abbild der momentanen Weltgesellschaft und dem Verhältnis zwischen Erster und Dritter Welt. Die Machtverhältnisse werden dabei personifiziert und auf engem Raum gegeneinander gestellt. Wundervoll agiert dabei Tilda Swinton in der Rolle von Wilford Ministerin Mason, deren Hauptaufgabe es ist, mit dem „Abschaum“ am Zugende zu kommunizieren. In der ansonsten gelungenen deutschen Synchron-Fassung geht leider ihre hinreißend bösartige Thatcher-Parodie verloren.  In seiner Symbolträchtigkeit und vieldeutigen Dystopie ist „Snowpiercer“ durchaus mit (dem ersten) „Matrix“ vergleichbar.

Bildqualität und Sound der Bluray lassen wenig zu wünschen übrig, außer der sehr leisen deutschen Stimme des Translators, den man auch gerne hätte Untertiteln können. Das Bonusmaterial ist eher ausgesucht ausgefallen. Was auch daran liegt, dass Regisseur Bong wenig filmischen Ausschuss produziert. So gibt es weder entfallene noch alternative Szenen, aber die kurzen Einblicke hinter die Kulissen sind durchaus informativ und beeindruckend. Der Aufwand, alle Waggons, die im Film zu sehen sind, auch tatsächlich zu bauen und auf hydraulische Federn zu stellen, rechtfertig sich durch den fertigen Film.

Sci-Fi-Fans sollten „Snowpiercer“ auf keinen Fall verpassen und auch ohne Spass an Zukunftsvisionen ist die aufwändige internationale Koproduktion einer der eindrücklichsten Filme des Jahres.

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Wir vergeben daher 9 von 10 Filmpunkten.

Copyright: Ascot Elite / MFA

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Länge: 126 Minuten

Kategorie: Action, Drama, Sci-Fi

Start: 25.09.2014

cinetastic.de Filmwertung: (9/10)

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Info

Snowpiercer

Geschrieben von Frank Schmidke

Länge: 126 Minuten
Kategorie: Action, Drama, Sci-Fi
Start: 25.09.2014

Bewertung Film: (9/10)

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