Der Begriff „Alles Inklusive“ wird zumeist mit Urlaub in Verbindung gebracht, wenn man für Hotel, Essen, Getränke und die örtlichen Unterhaltungsmöglichkeiten einen Festpreis zahlt und es somit keinerlei Anreiz gibt, dass Hotelgelände zu verlassen. Regisseurin Doris Dörrie setzt dies in einen ganz ähnlichen Zusammenhang, wenn sie unter spanischer Kulisse ihren eigenen Roman adaptiert und von Menschen erzählt, deren Leben komplett aus den Bahnen geraten ist.
Die etwa 65-jährige Ingrid (Hannelore Elsner) wird nach einer Hüftoperation von ihrer Tochter Apple (Nadja Uhl) kurzerhand ins spanische Urlaubsparadies Torremolinos geschickt, das zur Erholung und gleichwohl als eine Art Reha dienen soll. Dort wird Ingrid indirekt mit ihrer eigenen Vergangenheit konfrontiert, denn vor mehr als 30 Jahren verliebte sie sich dort als vollbusige Strandkönigin in den gleichaltrigen Karl, was ein tragisches Ereignis zur Folge hatte. Ihre Tochter Apple ist seit dieser Zeit gezeichnet, was zahlreiche kaputte Beziehungen zur Folge hatte, wovon keine von großer Dauer war. Seitdem lebt sie zusammen mit ihrem Hund Dr. Sigmund Freud allein und einsam in ihrer Wohnung, unfähig eine Bekanntschaft aufrecht zu erhalten, gezeichnet vom frühen Leben ihrer Mutter. Unter der spanischen Sonne soll auch Apple einen Ausweg finden, doch der Weg bis dahin ist lang und steinig.
Regisseurin und Drehbuchautorin Doris Dörrie ist dafür bekannt ihre eigenen literarischen Ergüsse zu verfilmen, denn sie brachte nicht nur ihre Kurzgeschichten aus „Bin ich schön?“ auf die große Leinwand, sondern ebenso ihren Theatertext „Happy. Ein Drama“ und nun mit „Alles Inklusive“ ihren gleichnamigen Roman aus dem Jahre 2011. Erneut soll dabei das leichtfüßige im Vordergrund stehen, denn wenn Dörrie eines kann, dann ist es ihren Figuren genug Raum zu geben, sodass diese geschickt zwischen den Genres stolzieren.
„Alles Inklusive“ könnte man dahingehend am besten irgendwo zwischen einem Drama und einer Komödie einordnen, denn obwohl beide Genres vertreten sind, weigert sich Dörrie ihren Film festen Konventionen zu unterwerfen. Vielmehr spielt sie mit dem Anspruch des Zuschauers, wenn sie erneut mit einem sehr übersichtlichen Gepäck für den Dreh nach Spanien fuhr, um dort vor heimischer Kulisse ihren Film so authentisch wie nur möglich umzusetzen. Auf der einen Seite haben wir die Sonne Spaniens, auf der anderen das triste München, irgendwo dazwischen die Rückblenden in die 70er Jahre, durch die immer wieder die Vergangenheit von Ingrid und Apple aufgerollt wird.
Im Mittelpunkt der Geschichte stehen somit zwei von Grund auf unterschiedliche Personen, denn wo Ingrid mit freier Liebe aufgewachsen ist, fühlte sich ihre Tochter damals alles andere als wohl. Von daher ist diese nicht von ungefähr recht prüde und verschlossen aufgewachsen, nach wie vor unfähig Kontakt zu anderen Menschen zu knüpfen, gleichwohl aber auch eine intakte Beziehung zu ihrer Mutter zu pflegen. Zu tief sind Ereignisse ihrer Kindheit verwurzelt, zu vollendet scheint ihr Schmerz, einzig und allein ihrem Hund Dr. Sigmund Freud kann sie ihr Herz ausschütten, für den sie selbst eine 5000€ teure Hüftoperation in kauf nehmen soll.
Wie in allen Filmen zuvor soll auch in „Alles Inklusive“ der Fokus auf den eigentlichen Figuren ruhen, wobei jene von Ingrid weitaus besser aufgebaut ist, als es jene von Apple jemals sein könnte. Dies ist aber oberflächlich gesehen auch nicht unbedingt weiter schlimm, denn wo Ingrid der dominante Part in dieser Geschichte ist, soll sie auch das verbindende Glied zwischen allen Episoden sein. Sie ist es auch die einen Flüchtling des Nachts versteckt, bei ihr laufen die Fäden des Transvestiten Tina (Hinnerk Schönemann) zusammen, der nach einem anfänglich lockerem Gespräch ebenso in ihrer Vergangenheit verwurzelt sein soll. Der Erzählton ist bei alledem einen Großteil der Zeit recht leichtfüßig, denn genauso einfach wie der Roman wurde auch die filmische Adaption umgesetzt, die mal ernst und mal unterhaltend sein soll. Es ist eben das Leben einer Hippie-Generation, einer Spaßgesellschaft die selbst im hohen Alter noch lebensfroh eingestellt ist, gleichwohl aber auch die Unfähigkeit bewiesen hat, mit den eigenen Kindern fertig zu werden.
Dies alles wird in erster Linie von einer lebensfroh aufspielenden Hannelore Elsner (Kirschblüten – Hanami) getragen, die trotz ihrer 72 Jahre noch immer jung und dynamisch ist, wie es die Rolle ihr abverlangt. Bei alledem geht in einigen wenigen Szenen Nadja Uhl (Der Baader Meinhof Komplex) als verklemmte Mittdreißigerin beinahe unter, wenn sie als spießige Vegetarierin einmal mehr die Gunst der Zuschauer verliert. Großartig präsentiert sich auch Hinnerk Schönemann (Das Leben der Anderen) in der Rolle des Transvestiten Tim, der von der Vergangenheit gezeichnet nie über jenes tragische Ereignis hinweggekommen ist, in welches Ingrid in frühster Jugend involviert war.
Doris Dörrie zeigt einmal mehr wie einfach es sein kann, einen eigenen Roman leichtfüßig umzusetzen und dabei mit den Genrekonventionen zu spielen. Eine großartige Hannelore Elsner ist nur ein Bestandteil dieser gelungenen Inszenierung, wenn auch ein wichtiger.