Eigentlich, so Filmmacher Alexander Payne im Making Of, war er direkt von dem Drehbuch zu „Nebraska“ begeistert. Nur hatte er gerade „Sideways“ abgedreht und wollte nicht direkt ein weiteres Road Movie nachlegen. Inzwischen sind rund zehn Jahre vergangen und „Nebraska“ war in diesem Jahr für sechs Oscars und fünf Golden Globes nominiert. Nun erscheint die großartige Geschichte des dementen „Lottogewinners“ Woody Grant auch fürs Home Entertainment. Bruce Dern legt mit Ende 70 noch einmal eine fulminante Paraderolle als grantelnder und verwirrter Nörgler hin.
Für den Hi-Fi-Verkäufer David Grant (Will Forte) läuft es nicht gerade gut: Seine Freundin hat ihn verlassen, weil er so langweilig ist und so tröpfeln Davids Tage dahin. Sorgen bereitet der Familie von David allerdings der Geisteszustand von Vater Woody (Bruce Dern), der wird zunehmend dement und seine Frau Kate (June Squibb) und Davids Bruder Ross (Bob Odenkirk) sind mit dem alten Mann überfordert. Jetzt hat sich der alte Alkoholiker Woody in den Kopf gesetzt, er habe im Lotto gewonnen und lässt sich nicht davon abbringen, dass er nur eine Werbeaktion aufgesessen ist. Der Gewinn ist allerdings persönlich abzuholen, im 900 Meilen entfernten Nebraska. David macht scih schließlich mit seinem Vater auf den Weg und zwischendurch stoppen die Beiden noch in Woodys Geburtsstadt Hawthorne: Dort sorgt der Lottogewinn für allerlei Aufregung und bringt viele Erinnerungen und alte Bekannte und Verwandte auf den Plan.
Filmmacher Alexander Payne hatte schon immer ein feines Händchen dafür, zwischenmenschliche Befindlichkeiten auf sensible und empathische Weise darzustellen. In „Nebraska“ gelingt das wie für Paynes Filme inzwischen gewohnt, erstaunlich einfallsreich und mit viel Humor. Auch die Entscheidung, „Nebraska“ in Schwarz-Weiß zu drehen, wirkt nicht nur plausibel, sondern verstärkt die Wirkung dieser Familiengeschichte auf elegante und nostalgische Weise. Der marode Charme des ländlich verödenden Ortes Hawthorne in der amerikanischen Provinz auch der verschwindende Kleinstadt Lifestyle könnten kaum trefflicher inszeniert werden.
Bob Nelsons Drehbuch ist ein Glücksfall für diesen Film und nicht nur die äußere Rahmenhandlung und das ruhige Tempo des Films sondern auch die Charaktere und ihre Beziehungen sind wunderbar detailliert ausformuliert. Thematisch geht es nicht nur um den schwierigen Umgang mit Demenz, sondern auch darum sich mit seinem Leben auszusöhnen, Rückschau zu halten und ja, letzte Dinge zu erledigen, bevor es auf das Ende zugeht. Es geht um Familiengeschichte und Zusammenhalt, und irgendwie auch um das Verblassen des Amerikanischen Traums und seiner traditionellen Grundwerte. Neben Will Forte und Bruce Dern, die ein tolles und auf kauzige Weise charismatisches Vater-Sohn-Gespann abgeben, hat vor allem June Squibb, als Woodys Frau mit ihrer unverschämt offenen Art die Lacher und die Sympathien auf ihrer Seite.
Als Bonusmaterial gibt es ein etwa dreißigminütiges „Making Of“, das des Weg des Road Movies vom Drehbuch bis hin zur Besetzung und der Auswahl der Drehorte auf unterhaltsame Art und Weise mit Interviews und „Hinter den Kulissen“-Footage aufbereitet. Der Filmfreund findet hier alles Wissenswerte zu einem der beeindruckendsten und schönsten amerikanischen Filme des vergangenen Kinojahres.
„Nebraska“ ist ein ebenso kluger wie melancholischer Film, der mit fein dosiertem Humor und großartigen Charakterstudien überzeugt. Das tolle Ensemble macht den Weg über die Amerikanische Landstraße zu einem cineastischen Hochgenuss. Wer „Sideways“, „About Schmidt“ und „The Descendants – Familie und andere Angelegenheiten“ mochte, wird auch „Nebraska“ lieben.