Naturdokumentationen leben von der Faszination ihrer Bildwelten und in den letzten Jahren haben sich die Aufnahmemöglichkeiten gerade im High Definition Bereich enorm verbessert – zum Glück für interessierte Zuschauer. Es gibt zwar schon einige sehenswerte Naturfilme über den Wald und seine tierischen Bewohner, aber „Wunder des Waldes“ begibt sich in den finnischen Urwald, eine völlig andere Welt als der Mischwald den der Mitteleuropäer so kennt. Das ist außergewöhnlich genug und lehrreiche Unterhaltung für die ganze Familie. Nun erscheint der erfolgreichste finnische Dokumentarfilm aller Zeiten auch bei uns für den Hausgebrauch.
Während die Kamera den Stamm eines verknöcherten alten Nadelbaumes hinaufschaut, erzählt eine Kinderstimme aus dem Off von den Besuchen mit dem Vater im Wald. Bei diesen Gelegenheiten wurde nicht nur die Natur beobachtet und der nächtliche Sternenhimmel erklärt, sondern auch die alten Sagen und Legende Finnlands herausgeholt, in denen der Wald eine so große Bedeutung hat.
Und dann taucht der Unglückshäher, ein Rabenvogel, im verschneiten, tief winterlichen Nadelwald auf und der Vater beginnt selbst zu erzählen: von den alten Legenden, vom Lebensbaum, der die Welt bildete und um den herum das Leben entstand von den ersten Tieren und wie sich der Mensch in dieses Bild fügt.
Der finnische Dokumentarfilmer Ville Suhonen hat sich mit Ko-Regisseur Kim Saarniluoto auf eine Erkundungsreise durch die weiten, großteils unberührten Urwälder Finnlangs gemacht und entführt die Zuschauer in eine verzauberte Stimmung. Die Kameraleute um Teemu Liakka untermahlen die mythische Erzählung mit sehenswerten Tieraufnahmen. Anfangs – wie es die Erzählung will- vor allem für Ornithologen interessant, aber schon bald sind Schneemarder und Luchs im Bild zu sehen und auch der Winter hält in „Wunder des Waldes“ nicht ewig an. Im Verlauf der Jahreszeiten werden verschiedene Aspekte und Gesichter des Waldes deutlich und immer hat der Erzähler eine passende Sage zur Hand.
Wie auch die zu Beginn des Jahres im Kino gestartete französische Doku „Das Geheimnis der Bäume“ verlässt sich „Wunder des Waldes“ nicht allein auf die Strahlkraft der eindrucksvollen Bilder sondern bietet dem Zuschauer zusätzlich eine Erzählebene die über strenge Botanik und Zoologie hinausreicht. So entsteht eine auch poetische Huldigung der Lebenskraft dieses eindrücklichen Biotops. Im Fall der finnischen Wälder liegt es nahe die nordische Mythologie in die Landschaft zu versetzen. Das Konzept geht auf und weiß nicht nur zu unterhalten, sondern vor allem mit großartigen Aufnahmen zu faszinieren.
Anders als die Wald-Filme des renommierten Tierfilmers Jan Haft, der für den NDR einige Wald-Dokus produziert hat („Mythos Wald“, Das grüne Wunder“) verzichtet die finnische Variante auf intensiven Einsatz kameratechnischer Spielereinen und bleibt in seinen Beobachtungen eher schlicht. Das ist eine bewusste filmische Entscheidung und sie tut dem Film gut.
An Bonusmaterial ist auf DVD und/oder Blu-ray außer dem Trailer nichts enthalten. Die etwa 75 Minuten Spielzeit sind in deutscher oder englischer Tonspur vorhanden. Das finnische Original ist in dieser Edition leider nicht dabei. Der Erzähltonfall ist gelegentlich etwas gemächlich, ganz so als wolle man die scheuen Waldtiere nicht verschrecken, sorgt aber dafür, dass auch jüngere Zuschauer der Geschichte folgen können.
Freunde von Naturdokumentationen liegen mit „Wunder des Waldes“ richtig. Die ursprünglichen und ausgedehnten finnischen Wälder beherbergen nicht nur Tierarten, die es bei uns nicht gibt, sondern bieten auch raum für Mythen und Sagen.