Der Autor (Christoph Baumann) hält in einem abgelegenen Industriekomplex zwei Frauen gefangen: Die Mutige (Marina Anna Eich) und Die Zögerliche (Julia Jaschke). Der Autor möchte beide zu Grenzerfahrungen bringen, auf den „Gipfel“ wie er es zu nennen pflegt und dafür ist ihm jedes Mittel recht. Fünf Tage sperrt er die beiden Frauen in einer Keller und setzt diese physischer wie auch psychischer Folter aus. Er foltert sie mit Plastiktüten und Wasser, steckt sie in Öfen und Kisten und dennoch kommt er mit seinen Methoden nicht zum erwünschten Erfolgt. Die Verlegerin (Antje Mönning) ermutigt ihn mit seinen Methoden weiter zu gehen und so droht er beiden mit den Tod, was bei der Mutigen und der Zögerlichen zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen führen soll. Plötzlich soll er zwischen den beiden Frauen und der Verlegerin stehen und die Frage kommt auf, wer eigentlich mit wem spielt. Wer bringt wen an seine Grenzen und wo soll dies alles enden?
Drei Jahre ist es schon wieder her, seitdem Regisseur und Drehbuchautor Roland Reber (Mein Traum oder Die Einsamkeit ist nie allein) mit „Engel mit schmutzigen Flügeln“ eine Vielzahl von Kritikern gegen sich aufbrachte. Nun ist er mit „Die Wahrheit der Lüge“ zurück und sein Team rund um die wtp-Filmproduktion mit ihm. Komplett ohne Inanspruchnahme von öffentlichen Geldern haben sie auch diesmal mit sehr begrenzten Mitteln ein Werk erschaffen, dass für den einen oder anderen kontroversen Gesprächsstoff sorgen wird.
Was ist Wahrheit und was ist Lüge? Die Fragen müssen sich Die Mutige und Die Zögerliche mehr als einmal stellen, nachdem sie sich freiwillig für fünf Tage haben einsperren lassen. Der Autor möchte sie beide an ihre Grenzen bringen und dafür ist diesem fast jedes Mittel recht. Reber versucht mit diesem dramaturgischen Grundsatz das Leben selbst Infrage zu stellen, indem er das Leben selbst als Metapher dafür sieht. Mit nachvollziehbaren Wendungen kann er den Spannungsaufbau immer konstant hoch halten, was aber auch daran liegt, dass man sich über die Gefangennahme selber absolut keinen Kopf machen darf. Beide Frauen könnten in unzähligen Gelegenheiten fliehen und wären zusammen, gegen so eine schmächtige Person wie dem Autor, mehr als nur überlegen. Lässt man dies allerdings nicht an sich heran, entsteht ein gar wunderbares Verwirrspiel der Realitäten.
In den Filmen von Roland Reber gehören Christoph Baumann (The Dark Side of Our Inner Space), Marina Anna Eich (Mein Traum oder Die Einsamkeit ist nie allein) und Antje Mönning (Um Himmels Willen) praktisch schon zum Inventar, einzig Julia Jaschke (Der Mann von nebenan lebt!) ist neu hinzu gestoßen. Während Eich und Jaschke die Gefangenen gut verkörpern und gerade Jaschke den geistigen Verfall wunderbar dar bietet, gehört die Kritik diesmal Christoph Baumann. Mit seiner schmächtigen Figur ist er als „Entführer“ wenig glaubwürdig und kann auch von seiner Darbietung der Dialoge einfach nicht überzeugen. Oft wünscht man sich, er ginge einen Schritt weiter. Nie bestraft er eine der beiden Frauen, nie spinnt er sein anfängliches Spiel mit seinen Regeln weiter aus. Wenn er eines hätte sein müssen, dann kompromissloser und autoritärer!
Neben einer mehr als ungewöhnlichen Story muss man hier aber das Lob vielmehr auf die stilistischen Mittel legen, die den Film vom Durchschnitt etwas abheben. Mit wunderbaren langen Kamerafahrten und warmen Bildern, oft in gelb und orange gehalten, kann „Die Wahrheit der Lüge“ vor allem im visuellen Bereich überzeugen. In wieweit man sich auf so groteske Aufnahmen wie das Puppenspiel oder die Gerichtsverhandlung am Ende einlassen kann, sei jedem selbst überlassen, für mich war dies um Längen zu abgehoben…
Mit „Die Wahrheit der Lüge“ ist Roland Reber und sein Team nun endgültig im Kino angekommen, auch wenn sein Stück erneut nichts für den durchschnittlichen Kinobesucher sein wird.