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Zwingli – Der Reformator

Geschrieben von Peter Gutting am 10. August 2019

Was den Deutschen ihr Luther und den Franzosen ihr Calvin, ist den Schweizern Ulrich Zwingli. Vor 500 Jahren, am 1. Januar 1519, trat der Reformator seine Priesterstelle am Großmünster in Zürich an. Er predigte auf Deutsch, verstieß gegen den Zölibat und die Vorschriften zum Fasten. Stattdessen verkündete er das Wort eines liebenden, nachsichtigen Gottes. Zur Jubiläumsfeier hat der Schweizer Regisseur Stefan Haupt ein Historiendrama vorgelegt, das in der Schweiz zum Publikumshit wurde. Die universellen Gehalte von Zwinglis Ideen sind aber keineswegs auf die Eidgenossen beschränkt. In einer hochdeutschen Sprachfassung kommt der sehenswerte Geschichtsfilm nun in die hiesigen Kinos.

Eine junge Frau in der Kirche, verzweifelt. Händeringend schluchzt Anna Reinhart (Sarah Sophia Meyer) vor dem Gemälde, das das Fegefeuer in die Herzen der Gläubigen brennt. Grässlich verzerrte Gesichter zeigt es, verrenkte Gliedmaßen, unvorstellbares Leid. Annas Mann ist als Söldner gefallen, hat auch sonst gegen die Gebote seiner Zeit verstoßen. Deshalb, so glaubt sie, leidet er nun genau so, wie es das riesige Gemälde veranschaulicht. Ein entsetzlicher, unerträglicher Gedanke. Ein zweiter Tod für die vom Leben und von Gott gestrafte Witwe.

In Parallelmontagen führt der Film die beiden Hauptdarsteller aufeinander zu: Anna, die arme Frau aus dem Volke, Analphabetin und strenggläubige Katholikin, und Ulrich Zwingli (Max Simonischek), belesen, auf dem Höhepunkt seiner Priesterkarriere und gepackt vom revolutionären Geist seiner Zeit. Das dient keineswegs einer süßlichen Lovestory, auch wenn Anna und Ulrich später heiraten werden. Die Frauenfigur gibt dem Regisseur und Drehbuchautorin Simone Schmid die Möglichkeit, ein Gegengewicht zum reinen Biopic und zur Gefahr bloßer Heldenverehrung zu schaffen. „Zwingli –Der Reformator“ schreibt mit der Figur der Anna Geschichte von unten, aus der Perspektive des einfachen Volkes, das über Jahrhunderte von Kirche und Adel geknechtet wurde. Das in Unwissenheit gehalten wurde und sich nicht einmal ein eigenes Bild von der Bibel machen konnte, weil das Volk nicht lesen konnte und es das Buch der Bücher nur in lateinischer Sprache gab.

Ulrich Zwingli tritt 1519 in Zürich an, all das zu ändern. Er übersetzt nicht nur die heilige Schrift, er wettert nicht nur gegen die Pfründe der Bischöfe und Klöster. Er ist auch ein Sozialreformer. Die Hungernden sollen zu essen bekommen, die Kranken Kliniken und die Ungebildeten Schulen. Jeder Mensch soll frei sein, keiner sich über den anderen erheben. Mit diesen Ideen und Initiativen ist er in der Freien Reichsstadt an der richtigen Stelle, in Bürgermeister Röist (Stefan Kurt) findet er einen Verbündeten – eine schützende Hand, die ihn vor dem wütenden Protest der Gegenreformation bewahrt, zumindest für die entscheidenden Jahre seines Wirkens bis zu seinem gewaltsamen Tod 1531.

Über die Persönlichkeit Zwinglis ist aus den historischen Quellen wenig bekannt, nur seine Schriften und Taten sind gut dokumentiert. An sie hält sich Regisseur Stefan Haupt, der sich auch als Dokumentarfilmer einen Namen gemacht hat, mit akribischer Strenge. Nichts soll historisch angreifbar sein in der Großproduktion, die die für Schweizer Verhältnisse hohe Summe von sechs Millionen Franken gekostet hat. Die Leerstellen durch einen subjektiven, freien Entwurf zu füllen, war nicht Zweck des Jubiläumsprojekts. Das geht ein wenig zu Lasten der Darstellung von Max Simonischek, der immer dann überzeugend wirkt, wenn er Reden halten und zu Taten aufrufen kann. In privateren Momenten hingegen bleibt die Interpretation der historischen Figur notgedrungen blass und schematisch, zumindest stellenweise. Deutlich lebenspraller und vielschichtiger erscheint hingegen die Figur der Anna, der Sarah Sophia Meyer starke Emotionen und eine stille innere Kraft verleiht.

Auch erzählerische Schnörkel verbietet sich der opulent und detailgenau ausgestatte Film. Dennoch wäre es unangemessen, ihm Konventionalität oder Bravheit vorzuwerfen. Denn es lag offensichtlich nie in seiner Absicht, den Kostümfilm neu zu erfinden. Die solide und manchmal fast dokumentarisch anmutende Machart erlaubt dem Historiendrama die Konzentration auf seinen eigentlichen Zweck: die Ideen des vor allem in Deutschland eher unbekannten Reformators einem breiten Publikum vorzustellen – und dabei deren Aktualität hervorzukehren.

„Zwingli – Der Reformator“ ist Geschichtsunterricht im guten Sinne. In etwas mehr als zwei Stunden stellt der Film einen beeindruckenden Revolutionär und seine Zeit vor. Dass er dabei auf unkonventionelle Erzählweisen verzichtet, ist dem didaktischen Hintersinn geschuldet: Kino als moralische Anstalt, dabei durchaus spannend und unterhaltsam.

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Länge: 128 min

Kategorie: Biography, Drama, History

Start: 31.10.2019

cinetastic.de Filmwertung: (7/10)

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Info

Zwingli – Der Reformator

Geschrieben von Peter Gutting

Länge: 128 min
Kategorie: Biography, Drama, History
Start: 31.10.2019

Bewertung Film: (7/10)

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