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Green Book – Eine besondere Freundschaft

Geschrieben von Peter Gutting am 24. Januar 2019

Green Book – Eine besondere Freundschaft

Glück muss man haben. Zum Beispiel das Glück, dass der eigene Sohn den unsicheren Beruf des Regisseurs ergreift und eine Episode aus dem Leben seines Vaters für filmreif hält. Aber auch das Glück, dass dieser Sohn eher uneitel ist, sich beim Drehbuch helfen lässt und die Regie einem Dritten anvertraut, der sich die wahre persönliche Geschichte aus der Distanz anschaut. Nick Vallelonga heißt dieser Sohn. Seinem Vater Tony „The Lip“ Vallelonga hat Komödienspezialist Peter Farrelly ein beeindruckendes filmisches Denkmal gesetzt.

Green Book – Eine besondere FreundschaftEin Abend im legendären New Yorker Nachtclub „Copacabana“. Der Boss persönlich gibt sich die Ehre, steckt dem hübschen Garderobenmädchen ein fettes Trinkgeld zu. Nein, nicht für irgendwelche erotischen Dienste. Nur auf seinen Hut soll sie aufpassen, das gute Stück, das auf keinen Fall verloren gehen darf. Der Abend nimmt dann seinen gewohnten Gang. Bei der ersten Schlägerei ruft der Boss Rausschmeißer Tony Villalonga (Viggo Mortensen). Der Mann, den alle nur Tony Lip nennen, bringt die Sache mit ein paar harten Schlägen routiniert in Ordnung. Nur: Danach ist der Hut weg.

Ein paar Tage später taucht Tony mit der vermissten Kopfbedeckung auf. Schiebt den Diebstahl den Raufbolden in die Schuhe und gibt vor, den Hut gefunden zu haben. Tatsächlich: Der Boss glaubt dem wortgewandten Rausschmeißer, Tony staubt einen dicken Finderlohn ab. Und der Zuschauer darf sich ein frühes Bild von der Frechheit, der Trickserei und dem Mut machen, mit dem sich der lebenslustige, bauernschlaue Italo-Amerikaner durch seine prekäre Existenz boxt. Ganz nach dem Drehbuch-Motto: Eine tolle Episode sagt mehr als tausend Dialoge.

Green Book – Eine besondere FreundschaftWie viele aus seiner Italo-Sippe ist Tony auf „Neger“ schlecht zu sprechen – man schreibt schließlich das Jahr 1962, als die Diskriminierung von Afroamerikanern Alltag war. Aber der Zufall will es, dass Tony bald für einen „Schoko“ arbeiten wird. Das „Copa“ macht für zwei Monate dicht, Tony ist knapp bei Kasse und kriegt einen Fahrerjob angeboten. Einen gewissen Dr. Shirley soll er auf einer längeren Reise in den Süden begleiten. Tony kann sich unter einem Doktor nur einen Mediziner vorstellen. Er staunt nicht schlecht, als ihn der promovierte Pianist Don Shirley (Mahershala Ali) in seiner schlossähnlich ausgestatteten Prachtwohnung direkt über der Carnegie Hall empfängt.

Der klassisch ausgebildete, vornehme Afro-Amerikaner wird unter Musikkennern als Ausnahmetalent am Piano gefeiert und trotz seiner dunklen Hautfarbe vom ausschließlich weißen Publikum frenetisch bejubelt. Außerhalb des Konzertsaals ist Shirley für die meisten Weißen aber nur ein dreckiger Nigger, der nicht dieselbe Toilette benutzen, nicht im selben Saal speisen und nicht im selben Hotel schlafen darf. Er braucht für seine Reise in den noch rassistischeren Süden das „Negro Motorist Green Book“, einen Reiseführer zu den wenigen Unterkünften und Restaurants, die auch Schwarze bedienen. Und er braucht Tony, einen Mann, der Konflikte sowohl wortreich als auch durch kurzen Prozess regeln kann.

Green Book – Eine besondere FreundschaftEin Blinder kann das filmische Potenzial dieses Stoffes sehen: zwei grundverschiedene Typen, zusammengesperrt im selben Auto, im Hintergrund die auch heute wieder aktuelle Rassenfrage. Die Kunst der Drehbuchautoren Nick Vallelonga und Brian Curry sowie von Regisseur Peter Farrelly besteht aber nicht darin, die vorgefundenen Trümpfe einfach auszuspielen. Die Besonderheit dieser ebenso unterhaltsamen wie berührenden Komödie liegt im Feinschliff: in der Art, wie die Charaktere über übliche Buddy-Klischees hinauswachsen. Wie sie eigenständige, lebensechte Identifikationsfiguren werden.

Natürlich ahnt der Zuschauer, dass hier eine doppelte Heldenreise ihren Weg nimmt, die die beiden verändern und aus ihrem wechselseitigen Unverständnis eine herzerwärmende Solidargemeinschaft formen wird. Aber „Green Book – Eine besondere Freundschaft“ kopiert nicht einfach Vorbilder wie „Ziemlich beste Freunde“ oder „Moonlight“ (in dem Mahershala Ali als Ersatzvater eine Oscar-prämierte Nebenrolle spielt) oder „Cyrano von Bergerac“ (Shirleys Hilfe bei Tonys Briefen an dessen Frau ist ein running Gag). Der Film verschmilzt filmische Muster mit dem wahren Leben und macht daraus etwas Eigenes. Dabei verfügt er über eine Situations- und Figurenkomik, deren Charme an die Raffinesse eines Billy Wilder oder Ernst Lubitsch erinnert.

Nicht von ungefähr gewann „Green Book – Eine besondere Freundschaft“ den Publikumspreis beim Filmfestival in Toronto. Die hintergründige Komödie von Peter Farrelly hat das Potenzial zu einem Kassenschlager, nicht zuletzt durch die herausragenden schauspielerischen Leistungen von Viggo Mortensen und Mahershala Ali.

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Wir vergeben daher 8 von 10 Filmpunkten.

Copyright: Entertainment One

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Green Book – Eine besondere Freundschaft

Länge: 130 min

Kategorie: Biography, Comedy, Drama

Start: 31.01.2019

cinetastic.de Filmwertung: (8/10)

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Info

Green Book – Eine besondere Freundschaft

Green Book – Eine besondere Freundschaft

Geschrieben von Peter Gutting

Länge: 130 min
Kategorie: Biography, Comedy, Drama
Start: 31.01.2019

Bewertung Film: (8/10)

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