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Ein Hologramm für den König

Geschrieben von Peter Gutting am 18. April 2016

Ein Hologramm für den König

Tom Tykwer ist nicht dafür bekannt, erzählerisch einfache Wege zu gehen. Mal verknüpft er, wie in „Cloud Atlas“, sechs Episoden über mehrere Jahrhunderte. Mal erzählt er, wie in „Lola rennt“, drei Variationen derselben Geschichte. Sein neuer Film dagegen dagegen kommt sehr entspannt, fast konventionell daher. Das ist jedoch kein Nachteil, sondern schafft Raum für den Hollywoodstar Tom Hanks, der ja schließlich nicht alle Tage vor der Kamera eines deutschen Regisseurs steht.

Ein Hologramm für den KönigHanks spielt den amerikanischen Manager Alan Clay, einen abgehalfterten Helden der Globalisierung. Der hatte einst einen soliden Fahrradhersteller in den Ruin getrieben, indem er die Produktion nach China verlagerte. Doch wie die Revolution ihre Kinder frisst, überrollt auch der Turbokapitalismus seine Väter. Der Mittfünfziger bekommt von seinem neuen Arbeitgeber, einer IT-Firma, eine letzte Chance. Er soll dem saudischen König eine virtuelle Konferenzsoftware verkaufen, bei der die Teilnehmer nicht auf Bildschirmen zu sehen sind, sondern als dreidimensionale Gestalten in den Raum gebeamt werden. Dazu reist er in eine noch unfertige Retortenstadt, wo er den König treffen soll. Doch die Ausgangslage erinnert schon bald an das Warten auf Godot.

Ein Hologramm für den KönigIn der Verfilmung des gleichnamigen Romans von Dave Eggers nimmt Drehbuchautor und Regisseur Tom Tykwer keinen allwissenden Erzählerstandpunkt ein, sondern bleibt auf Augenhöhe mit seinem strandenden Helden. Wie dessen eh‘ schon beschädigtes Leben weiter zerbröselt, wie er sich abstrampelt, um in der fremden Kultur einen Fuß auf den Boden zu bekommen – das bietet Anlass für leisen Humor und stilles Mitgefühl. Die Figur von Tom Hanks erinnert dabei an den gestrandeten Auswanderer in „Terminal“ (2004) von Steven Spielberg, der auf dem New Yorker Flughafen festsitzt. Hier wie dort war der Film ganz auf die Stärken des Schauspielers zugeschnitten, auf diese einzigartige Mischung aus kindlichem Staunen, naivem Optimismus und schelmischen Überlebensstrategien. Man mag dem Hollywoodstar keine übertriebene mimische Ausdrucksvielfalt nachsagen. Aber den starren, unvergleichlich fassungslosen Blick beherrscht er wie kein Zweiter.

Ein Hologramm für den KönigDadurch lässt sich der Eindruck kaum vermeiden, als habe Tom Tykwer die gesamte Inszenierung auf seinen Hauptdarsteller abgestimmt. Hier ein paar touristisch angehauchte Reisebilder – in die Wüste, nach Mekka, in ein Bergdorf. Dort ein paar mainstreamhafte Glaspaläste, die den Konflikt zwischen Tradition und Moderne eher glatt als hintergründig illustrieren. Alles scheint nur Kulisse zu sein für den strauchelnden Helden, der in den klassischen Schuss-Gegenschuss-Dialogen seine stärksten Szenen hat. Sei es mit dem unberechenbaren Chauffeur Yousef (Alexander Black) oder mit der rätselhaften Ärztin Zahra (Sarita Choudhury), in der Herausforderung durch die „Sidekicks“ gelingen Hanks die stärksten, berührendsten Momente seiner Heldenreise.

Zwar ist die Läuterung des einstigen Saulus in der morgenländischen Kultur recht absehbar. Doch unter der Hand zieht Tom Tykwer in die vermeintliche Kulturschock-Geschichte einen doppelten Boden ein. Leichtfüßig und augenzwinkernd entführt „Ein Hologramm für den König“ in eine Gesellschaft, die die Vorurteile über den Islam, seine Genussfeindlichkeit und die Rolle der Frau einerseits zu bestätigen scheint. Die aber andererseits zeigt, dass man auch hier zu leben versteht. In der Feier des Widerspruchs feiert der Film die Komplexität von Verhältnissen, die sich weder dem Diktat des Westens noch dem einer falsch verstandenen Religion beugen. Wer als Pegida-Anhänger ins Kino geht, könnte als Liberaler wieder herauskommen. Und das ganz ohne belehrende Predigten oder romantische Idealisierung. Einfach durch den Gang einer ideologiefrei erzählten Geschichte.

In seinem zweiten Film mit Tom Hanks (nach „Cloud Atlas“) rückt Tom Tykwer den Hollywoodstar ganz ins Zentrum der Inszenierung. Dadurch geraten die Reisebilder aus der Wüste manchmal zur bloßen Kulisse. Zugleich aber läuft Hanks zu einer Form auf, die den Vergleich mit Spielbergs „Terminal“ nicht zu scheuen braucht.

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Copyright: X-Verleih

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Ein Hologramm für den König

Länge: 98 min

Kategorie: Drama

Start: 28.04.2016

cinetastic.de Filmwertung: (6/10)

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Info

Ein Hologramm für den König

Ein Hologramm für den König

Geschrieben von Peter Gutting

Länge: 98 min
Kategorie: Drama
Start: 28.04.2016

Bewertung Film: (6/10)

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