Seit nunmehr sechs Jahrzehnten versucht der New Yorker Filmemacher Woody Allen sein Publikum zu unterhalten, ganze 46 Filme hat er in dieser Zeit geschaffen, und obwohl er stramm auf seinen 80. Geburtstag zugeht, scheint er von jedweder Altersmüdigkeit noch immer weit entfernt zu sein. Mit „Irrational Man“ präsentiert Allen nun sein unscheinbarstes Werk der letzten Jahre, denn obwohl er hier auf einen brillanten Hauptdarsteller bauen darf, ist er dennoch vom Charme seiner älteren Werke weit entfernt.
Der Mittvierziger Abe Lucas (Joaquin Phoenix, „The Master“) ist im Grunde ein brillanter Schriftsteller, doch seit einigen Jahren steckt er in einer tiefen Schaffenskrise, weswegen er nun einen Job als Universitätsprofessor für Philosophie in einer Kleinstadt annehmen muss. Studentin Jill (Emma Stone) ist bei dieser Nachricht sofort Feuer und Flamme, denn nicht nur dass Abe einige ihrer Lieblingsbücher veröffentlicht hat, er hat auch noch eine so unglaubliche Vergangenheit, dass sie sich bereits nach nur wenigen Tagen zu diesem hingezogen fühlt. Natürlich bleibt auch Chemieprofessorin Rita (Parker Posey) ihr neuer Kollege nicht verborgen, woraufhin diese ebenfalls damit beginnt, bei dem hoffnungslosen Alkoholiker anzubändeln.
Zwischen Alkohol und Depressionen hin- und hergerissen, belauscht Abe eines Tages ein Gespräch bei einem Diner, bei dem eine fremde Frau ihren Freunden ihr Leid klagt, was sich in erster Linie gegen einen gnadenlosen Richter wendet. Spontan beschließt Abe diesen zu ermorden, um besagter Dame zu helfen, woraufhin er nicht nur frischen Lebensmut fasst, sondern auch einen gerissenen Plan entwickelt, von dem Freundin Jill allerdings nichts erfahren darf.
79 Jahre alt, 46 Filme gedreht, unzählige Drehbücher geschrieben – und dennoch schafft es Woody Allen (Der Stadtneurotiker) noch immer, jährlich einen neuen Film dem Publikum zu präsentieren. Sein neuester Film namens „Irrational Man“ lief bei den diesjährigen Filmfestspielen von Cannes außer Konkurrenz im Wettbewerb, was bei dem einen oder anderen Zuschauer im Vorfeld fragende Gesichter hinterließ.
In seinem 46. Film soll sich diesmal alles um einen alkoholkranken Universitätsprofessor drehen, eine frisch verliebte Studentin und einen Mord, worauf wir allerdings erst im späteren Verlauf eingehen möchten. Im Grunde soll auch diesmal alles wie immer sein, denn kennt man einen Woody-Allen-Film, kennt man sie alle. Auch sein neuester ist irgendwie wie die letzten. Ein bisschen Drama, eine Portion Comedy, ein paar freche Sprüche und natürlich eine sehenswerte Besetzung, schon entsteht „Irrational Man“. Das soll weder überheblich klingen noch sonderlich originell, denn im Grunde liefert Allen in den letzten Jahren Fließbandarbeit ab, die sich ständig gleicht, wirklich Neues aber nicht bieten kann.
Auch diesmal soll es sich so verhalten, denn nachdem der Mord zumindest aus philosophischer Sicht geplant und untermauert worden ist, muss er noch in die Tat umgesetzt werden. Der Mord selbst ist recht schnell und unspektakulär über die Bühne gebracht, was folgt, ist die Aufklärung von verschiedenen Freunden, wo Indizien schnell zur Spur werden und Abe so in den Mittelpunkt rückt. Erneut werden philosophische Fragestellungen gestellt, Dinge theoretisch beantwortet, Zitate längst Verstorbener hervorgeholt, nur um das eigene Handeln zu begründen und zu rechtfertigen.
Das mag im ersten Augenblick interessant sein, doch verkommt die Posse mit zunehmender Spielzeit zu einem recht berechenbaren Stück Film, das selbst einem Woody Allen nicht gefallen würde. Schaut er deswegen seine eigenen Filme nach dem letzten Schnitt nicht mehr an? Man weiß es nicht, eine mögliche Ursache könnte es aber sein. So unscheinbar „Irrational Man“ mit philosophischen Werten und Fragestellungen spielt, so unscheinbar ist diesmal auch die Figurenzeichnung ausgefallen. Jill, die übereifrige Einserstudentin, Professorin Rita, von der man bis auf ihre Zuneigung zu Abe rein gar nichts erfährt, und Abe selber, der sich im Selbstmitleid und im Alkohol suhlt, die Figuren könnten einem Lehrbuch entsprungen sein.
Nicht unbedingt besser sieht dies auf Seiten der Darsteller aus, wo Allen erneut auf seine aktuelle Muse namens Emma Stone (The Help) baut, die durchaus Akzente setzen kann, durch ihre Figur gegen Ende hin jedoch unglaublich zu nerven beginnt. Das Highlight dieses Films ist und bleibt Hauptdarsteller Joaquin Phoenix, der mit Bierbauch und Flachmann in der Hand ein so herrlich schräges Bild darstellt, dass man ihm sein Spiel beim russischen Roulett sofort abnehmen will.
Mit „Irrational Man“ liefert Woody Allen seinen bisher schwächsten Film der letzten Jahre ab, was nicht nur im immer gleichen Muster begründet liegt, sondern insbesondere auch am fehlenden Charme und dieser gewissen Leichtigkeit, die man diesmal leider vergebens sucht.