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Hin und weg

Geschrieben von Peter Gutting am 9. September 2014

Hin und weg

Für Schauspieler hat Regisseur Christian Zübert ein gutes Händchen. 2011 ließ er Elmar Wepper in „Dreiviertelmond“ glänzen. Nun schweißt er eine ganze Riege deutscher Stars aus TV und Kino zu einem überzeugenden Ensemble zusammen, von Florian David Fitz über Jürgen Vogel bis hin zu Hannelore Elsner, um nur die bekanntesten zu nennen. Ihnen glücken immer wieder kleine Kabinettstückchen, doch mit dem großen Ganzen tun auch sie sich schwer.

Hin und wegEigentlich wollen alle nur Spaß haben bei der alljährlichen Fahrradtour, die die sechs Freunde schon seit Urzeiten unternehmen. Auch Hannes (Florian David Fitz) freut sich auf die gut gelaunte Mischung aus Klassenfahrt und Campingromantik, die von Frankfurt am Main bis nach Ostende an der belgischen Nordseeküste führen soll. Der 36-jährige möchte die Zeit mit seinen Freunden dieses Mal besonders intensiv genießen. Denn er weiß: Es wird seine letzte Reise sein. Hannes leidet an der unheilbaren Nervenkrankheit ALS. Was das bedeutet, hat er beim qualvollen Tod seines Vaters erfahren.

Um den Freunden den Spaß nicht zu verderben, verschweigen Hannes und seine Frau Kiki (Julia Koschitz) die Krankheit. Aber das lässt sich nicht lange durchhalten, zumal Hannes Mutter Irene (Hannelore Elsner), in deren Haus die erste Übernachtung geplant ist, bei einer falschen Bemerkung in Tränen ausbricht. Die Freunde sind schockiert. Was nun? Alles abblasen? Gute Miene zum traurigen Spiel machen? Oder im Angesicht des Todes „noch mal richtig auf die Kacke hauen“, wie es Frauenheld Michael (Jürgen Vogel) vorschlägt. Am Ende wird es nichts von alledem, sondern eine Reise mit Höhen und Tiefen.

Hin und wegEine Tragikomödie also, die mit dem schwersten anzunehmenden Schicksalsschlag arbeitet. Um den auszubalancieren, braucht es natürlich ein ordentliches Gegengewicht. Und tatsächlich hatte die junge Drehbuchautorin Ariane Schröder dafür eine Idee, die über weite Strecken trägt. Wie in jedem Jahr, so die Überlegung, haben sich die Freunde auch dieses Mal „Aufgaben“ füreinander ausgedacht: spaßige Mutproben, die so ganz dem zuwiderlaufen, was die Charaktere normalerweise tun würden. Die Figur von Jürgen Vogel zum Beispiel. Plötzlich, man wollte abends noch in die örtliche Disco, steht er da in Frauenkleidern: glitzernder Pailletten-Fummel, atemberaubende Perücke, eine herrlich missglückte Karnevalsparodie. Und zugleich eine so geniale Karikatur von Vogels Image als ewiger Macho, dass man Tränen lachen könnte.

Es gibt noch mehr solcher gelungener Einlagen, die die Stimmung des Taschentuchfilms nach oben reißen. Wie im echten Radlerleben geht es rauf und runter, stimmungsvoll eingefangen von einer zurückhaltenden Kamera, die zumeist auf die Gesichter fokussiert und sich die Vogelperspektive für einige herausragende landschaftliche Highlights aufspart. Doch wer nach Belgien will, fährt gegen Ende immer öfter ins Tal – und das tragische Element einer solchen Dramödie lässt sich nicht ewig kompensieren.

Hin und wegDas langsame Fortschreiten einer tödlichen Krankheit zu bebildern, ist immer heikel und verlangt enormes Fingerspitzengefühl. Deshalb fragt man sich, warum Regisseur Christian Zübert und sein Kameramann Ngo The Chau die zuvor wie beiläufig wirkenden Bilder gegen Ende emotional aufladen. Da gibt es dann nicht mehr das spontan wirkende Chaos beim morgendlichen Regen-Frühstück im Zelt. Sondern wir sehen Hannes und Kiki im Regen tanzen, romantisch verliebt wie am ersten Tag. Später eine Abschiedsszene mit den Freunden am Strand: Die Kamera feiert das Licht, taucht die Freundesgruppe in stilvolle Arrangements. Das ist hart am Klischee und entrückt den Schmerz ins „Bigger-than-Life“. So wird das Elend leichter verdaulich, wirkt aber unecht und kinogerecht hindrapiert. Nicht alles auszuerzählen, wäre hier mehr gewesen. So wie es etwa die Mexikanerin Claudia Sainte-Luce in ihrem ähnlich auswegslosen Drama „Ein wundersamer Katzenfisch“ gemacht hat.

Obwohl als Ensemblefilm überzeugend, verhebt sich „Hin und weg“ an der Schwere seines Themas. Im Angesicht des Todes noch einmal Spaß haben zu wollen, ist gewiss ein verständliches Anliegen. Aber Regisseur Christian Zübert gelingt die Balance zwischen episodenhaften Kabinettstückchen und emotionaler Talfahrt nur streckenweise. Darunter leidet die Glaubwürdigkeit der Geschichte, die gegen Ende allzu harmonieselig zurechtgebogen wird.

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Wir vergeben daher 5,5 von 10 Filmpunkten.

Copyright: Wolfgang Ennenbach, Majestic

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Hin und weg

Länge: 95 min

Kategorie: Comedy, Drama

Start: 23.10.2014

cinetastic.de Filmwertung: (5,5/10)

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Geschrieben von Peter Gutting

Länge: 95 min
Kategorie: Comedy, Drama
Start: 23.10.2014

Bewertung Film: (5,5/10)

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