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Wir waren Könige

Geschrieben von Peter Gutting am 4. Juli 2014

Wir waren Könige

Laut ist die Klage, dass der Gangster- und Polizeifilm im deutschen Kino zu kurz komme. So laut, dass die Macher des kürzlich angelaufenen „Harms“ sogar auf Fördergelder verzichteten, um sich den Traum eines kompromisslos harten Genrebeitrags zu erfüllen. Aber vielleicht wird die Klage demnächst leiser. Mit „Wir waren Könige“ legt Philipp Leinemann einer Polizeithriller vor, der sich hinter amerikanischen Vorbildern nicht zu verstecken braucht.

Es ist schon erstaunlich, wenn der Regisseur im Interview sagt, eigentlich habe er gar keinen typischen Copfilm drehen wollen, sondern ein Drama um zerbrechende Freundschaften. Denn in der endgültigen Schnittfassung, in der er sich dann doch fürs Genre entschied, vibriert die Leinwand von der ersten Minute an. Es beginnt in einer herunter gekommenen Wohnung in einem abgewrackten Trabantenviertel. Ein ausgerasteter Dealer brüllt ins Telefon, die Freundin hat die Schnauze voll, das Kind schreit – und draußen stehen vermummte Spezialisten eines Sondereinsatzkommandos (SEK) mit Maschinengewehren im Anschlag. Der Gangster riecht Lunte, ballert durch die Tür, ein Polizist wird schwer verletzt und das Viertel brennt noch lichterloher als schon in den letzten Monaten.

Wir waren KönigeEine andere Szene, nur wenige Filmminuten später: Thorsten (Tilman Strauß), Boss einer Jugendgang und auf Bewährung aus dem Gefängnis entlassen, feiert Geburtstag in der Kneipe, in der sich auch die SEK-Leute treffen. Es gibt kurz Stress, aber dann fordert Thorsten die Cops zu einer Bowling-Partie heraus, was in einem testosterongeschwängerten Gelage endet, wie man es noch selten in einem deutschen Film gesehen hat. Noch auf dem Heimweg am frühen Morgen stolpern die besoffenen SEK-Leute Mendes (Mišel Matičević) und Kevin (Ronald Zehrfeld) über einen Tatort, der sie schlagartig ausnüchtert. Zwei ihrer Kollegen sind ermordet worden.

Es geht Schlag auf Schlag in diesem düsteren, von Männerbünden dominierten Thriller. Und die Lage ist unübersichtlich. Die SEK-Leute schlagen zu, ohne lange zu fragen, was ihren Polizeikollegen vom Streifendient gewaltig stinkt. Die Jugendgang ist natürlich mit anderen Jungs verfeindet, die Türsteher des Rotlichtmilieus haben Verbindungen bis in die Polizeispitze und mittendrin steht der 13-Jährige Türke Nasim (Mohamed Issa), in dessen Wunsch nach Zugehörigkeit die Fäden des hochkarätig besetzten Ensemble-Films zusammenlaufen.

Wir waren KönigeWahrscheinlich ist es ein Vorteil, dass Philipp Leinemann in seinem Kinodebüt eigentlich etwas anderes schildern wollte als mafiöse Strukturen eines hoffnungslos überforderten Polizeiapparats. Der Zufall wollte es, dass der Regisseur in seiner Jugend mit Leuten befreundet war, die bei einer SEK-Einheit arbeiteten. Und dass er ebenso mit russischen Aussiedlern engen Kontakt hatte. Welche Dynamiken sich in solchen Gruppen bilden, wie sie sich abschotten, nach eigenen Regeln leben und zu einer Art Ersatzfamilie werden – das hat er ebenso erlebt wie die kleinen Anlässe, die das Fass bedingungsloser Loyalität überlaufen lassen.

Nicht zuletzt sind es Mišel Matičević und Ronald Zehrfeld, die dem Film über seinen spannungsgeladenen Unterhaltungswert hinaus menschliche Tiefe verleihen. Dass jeder von beiden einen „harten Hund“ spielen kann, haben sie schon oft gezeigt, etwa in Filmen von Dominik Graf oder Zehrfeld zuletzt als Afghanistan-Soldat in „Zwischen Welten“. Aber als Cops haben sie noch nie zusammen vor der Kamera gestanden – und die Frage, wer von beiden am Ende die stärkeren Nerven hat, ist ziemlich reizvoll, selbst wenn sie am Ende offen bleiben muss. Aber so viel ist klar: Der moderne Typ Mann, den beide auch verkörpern können – mit weichen, nachdenklichen Zügen – ist hier nicht gefragt. Der Filmtitel „Wir waren Könige“ trifft voll ins Schwarze. Es geht um knallharte Jungs, die ihr Ding ohne Wenn und Aber durchziehen.

Mit seinem atemlosen Tempo und der gezielten Unübersichtlichkeit bietet „Wir sind Könige“ Thrill auf hohem Niveau. Dabei überrascht die handwerkliche Perfektion dieses Debüts umso mehr, als es zunächst gar nicht als Genrefilm gedacht war. Regisseur Philipp Leinemann zeigt, dass formale Meisterschaft umso überzeugender wirkt, wenn sie von einem persönlichen Thema gespeist wird.

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Wir vergeben daher 7,5 von 10 Filmpunkten.

Copyright: Summiteer Films

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Wir waren Könige

Länge: 107 min

Kategorie: Drama, Thriller

Start: 27.11.2014

cinetastic.de Filmwertung: (7,5/10)

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Wir waren Könige

Wir waren Könige

Geschrieben von Peter Gutting

Länge: 107 min
Kategorie: Drama, Thriller
Start: 27.11.2014

Bewertung Film: (7,5/10)

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