Wenn die eigenen Kinder aufbegehren und möglicherweise sogar Straftaten begehen, so sind einem als Elternteil zumindest weitestgehend die Hände gebunden. Ganz anders sieht dies in den Vereinigten Staaten aus, wo private Umerziehungscamps aus dem Boden sprießen, um mit militärischer Härte die jungen Menschen wieder in jene Richtung zu drillen, sodass sie erneut ein nützliches Mitglied der Gesellschaft werden.
Der etwa 18-jährige Brad Lunders (P.J. Boudousqué) führt nach außen hin ein ganz normales Leben, denn neben einer wunderschönen Freundin geht dieser einem Job in einer Autowerkstatt nach, um sich ein wenig Geld dazu zu verdienen. Leider ist Brad in seiner Freizeit auch noch ein Drogendealer der ganz anderen Sorte, woraufhin er nach einem größeren Unfall von seinen Eltern eines Nachts durch vermummte Gestalten abgeholt und in einen Van verfrachtet wird. Ziel dieses Vans ist das weit entfernte Umerziehungslager Coldwater, welches vom ehemaligen Colonel Frank Reichert (James C. Burns) und dessen Gehilfen erbarmungslos geführt wird. Das Leben in diesem Lager ist hart, wird überschattet von Gewalt und jeder Menge reiner Willkür, doch Brad gelingt eines Tages die Flucht. Als dieser kurz danach erneut in Coldwater abgeliefert wird, beginnt eine Tortur der er nicht im Ansatz gewachsen ist.
Es gibt eine Unmenge an privaten Umerziehungslagern in den Vereinigten Staaten, Lagern in denen Eltern ihre Kinder einliefern lassen können, wenn diese sich diesen nicht mehr gewachsen sehen. In besagten Lagern geht es überaus hart zu, es gibt in regelmäßigen Abständen Berichte von Misshandlungen und zuweilen sogar Todesopfern, woraufhin Regisseur Vincent Grashaw (Bellflower) und Drehbuchautor Mark Penney (Callous Sentiment) begannen auf dieser Basis ein Skript zu schreiben. Besagtes Drehbuch ist natürlich völlig fiktiv, auch wenn der Abspann uns etwas anderes vorgaukeln möchte, der noch einmal explizit mit zahlreichen Fakten und Zahlen diesen Film zu untermauern versucht.
Rein strukturell bietet „Coldwater“ hinsichtlich seiner Dramaturgie für den Zuschauer nur wenig wirklich Neues, wenn uns ein anfänglich völlig normaler junger Mann schon bald als Individuum vorgestellt wird, der mit seinen Drogengeschäften nicht unbedingt ein wertvolles Mitglied der Gemeinschaft ist. Der Weg führt direkt in das Umerziehungslager Coldwater, wo sich Brad nicht nur direkt mit dem Colonel und dessen erbarmungslosen Helfern anlegt, sondern auch schon bald realisieren muss, dass aufgrund zahlreicher Todesfälle der Weg aus diesem Lager nicht die starre Haltung dagegen, sondern am ehesten ein friedvolles miteinander ist. Dies alles ändert sich jedoch als ein alter Freund von Brad in das Lager verlegt wird, der ganz ähnlich impulsiv gegen die Betreuer vorgeht und dies immer mehr mit der Zeit bereut.
Plötzlich wird Brad insgeheim ein Freund und Helfer der dazu bereit ist gegen die Willkür vorzugehen, der sein Leben riskiert um Mitgefangenen zu helfen, dabei jedoch unweigerlich auch wieder ins Fadenkreuz der Wärter gerät. Bei alledem sticht weniger die recht vorhersehbare Geschichte heraus als vielmehr die Glaubwürdigkeit wie dieses Lager und die damit einhergehende Umerziehung der Jugendlichen dargelegt wird, gleichwohl aber auch, wie menschliche Abgründe ausgelotet werden. Nicht umsonst stehen die Jugendlichen am Ende vor der Wahl nach haus zurück zu gehen oder aber dem Colonel zu helfen mit dem nächsten Schwung Insassen fertig zu werden.
Es entsteht ein endloser Kreislauf der Gewalt, denn jene Gewalt die einem selber einmal zuteil geworden ist, wird später als Wärter erneut ausgelebt, um erfahrenes erneut anderen teilhaben zu lassen. Diese Spirale der Gewalt ist unendlich, trocken, messerscharf und gleichwohl erbarmungslos am Ende der Welt in einer steinigen Wüste, sodass nicht nur das Leben einen gänzlich anderen Stellenwert bekommt, sondern gleichwohl auch Freundschaft, so selten diese auch vorkommen mag.
Mit dieser Veranschaulichung von roher Gewalt, menschlicher Abgründe und dem Ausleben von Perversionen geht in Vincent Grashaw’s „Coldwater“ auch das interessante einher, denn alles was wir hier zu sehen bekommen, könnte sich tatsächlich in einem der vielen privaten Lager ereignen, die von offiziellen Stellen oft nur unzureichend überwacht werden. Wo beginnt die Fiktion, was ist Wirklichkeit, die Grenzen verschwimmen nahtlos ineinander und lassen den Zuschauer erschüttert und auch verständnislos zurück, ohne auf diese Fragen jemals eine Antwort parat zu haben.
Vincent Grashaw’s „Coldwater“ überzeugt mit seiner visuellen und strukturellen Einfachheit, gleichwohl aber auch mit seiner sehr detailgetreuen Umsetzung eines Lagers, das stellvertretend für hunderte realer Orte in den USA stehen könnte. Ein Film der zuweilen bis in Mark und Bein erschüttert, dabei aber den Zuschauer sprachlos zurück lässt und diesen seine eigene Meinung bilden lässt.