Während der chinesische Film Noir auf der Berlinale noch unter dem englischen Titel „Black Coal, Thin Ice“ firmiert, kommt der Berlinale-Gewinner nun unter dem vielleicht treffenderen, weil originalgetreueren Titel „Feuerwerk am hellichten Tage“ in die Kinos. Die Erwartungen an den Gewinner des Goldenen Bären sind entsprechend hoch und der Arthaus-Film konnte direkt nach dem Kinostart in der Heimat ein beachtliches Einspielergebnis vorweisen.
Aber um es vorwegzunehmen, Yi’nan Diaos dritter Spielfilm streckt sich elegisch zwischen eruptiver, absurd komischer Gewalt und dem quälenden chinesischen Winter und der Einsamkeit eines Ex-Polizisten. Das ist solide Genrekost mit einigen grandios gefilmten Szenen und auch guten Darstellern, aber mehr auch nicht. Wer in die minimal-kriminalistische Handlung Statements zum aktuellen China hineinlesen will, muss sich schon erheblich strecken. Der Film ist sich als Genrebeitrag genug und bleibt ganz bei sich selbst. Gleichwohl zeigt „Feuerwerk am hellichten Tag“ auch einiges an chinesischem Alltag, neu ist allerdings auch das nicht.
Im Jahr 1999 tauchen in verschiedenen Kraftwerken Leichenteile in der angelieferten Kohle auf. Kommissar Zhang Zili (Liao Fan), der gerade von seiner Frau geschieden wurde, ermittelt gegen einen Fahrer des Kohlebergwerks. Doch die Ermittlungen eskalieren und aufgrund der Unachtsamkeit seiner Leute kommt es zu einer Schießerei mit etlichen Toten. Daraufhin quittiert Zhang Zili den Dienst.
Fünf Jahre später steht es nicht gut um den Ex-Kommissar, er säuft und schlägt sich als Sicherheitsmann durch. Zufällig trifft er seinen alten Partner wieder, der eine attraktive junge Frau observiert. Wu Zihzhen (Lun Mei Gwei) arbeitet in einer Wäscherei. In den letzten Jahren sind zwei Männer ermordet worden, mit denen sie eine Beziehung hatte. Als sein Partner erwähnt, dass Wu die Witwe des zerstückelten Leichnams von 1999 ist, beginnt Zhang Zili auf eigene Faust zu ermitteln und stellt der jungen Frau nach.
Die Kameraperspektive auf das schäbig verschnürte Paket in einem Haufen Kohle, die den Film einleitet, ist grandios gefilmt. Aus dem Hintergrund erklingt martialischer Gesang und ständig wechseln die Lichtverhältnisse. Schließlich zeigt die Kamera, dass es sich um die Ladefläche eines LKW handelt und der Gesang erklingt von einem folgenden Militärtransporter. Gekonnt spielt „Feuerwerk am hellichten Tage“ in den ersten Minuten mit der Mehrdeutigkeit der Bilder. Als der Kommissar während der Ermittlungen im Kraftwerk eine leere Flasche die Stufen der Werkshalle hinabtritt, ist die Richtung des Films etabliert: Abwärts. Auch die Kamerafahrt durch den Tunnel, die die Handlung von 1999 mit der von 2004 verknüpft, ist nicht nur handwerklich großartig, sondern eine der beeindruckendsten Sequenzen des aktuellen Filmjahres.
Doch dann verflacht „Feuerwerk am hellichten Tage“ zu einer Kriminalhandlung um einen ausgebrannten und obsessiven ehemaligen Polizisten. Das wird zwar ganz stimmungsvoll, aber ohne jede Spannung oder zwingende Ermittlungslogik vorgetragen. Begleitet von der wortkargen Sprachlosigkeit des Ex-Bullen und der stummen Ablehnung seines Objektes der Begierde, der Witwe und Wäscherin. Die Handlung mäandert durch die Zufälligkeit des Lebens und die triste Freudlosigkeit des Alltags, der in China auch nicht anders ist als hierzulande.
Zwischendurch, aber viel zu selten um kathartisch zu wirken, ergießt sich all die aufgestaute Energie in absurd eruptiver Gewalt, wie etwa in dem Shootout im Frisörladen oder dem Wutausbruch eines Gamers in einem Internetcafe. Das erinnert in Ausgestaltung, Ansatzlosigkeit und humoristischem Unterton an Quentin Tarantinos Filme, wird aber von der tristen Grundstimmung des Film umgehend wieder absorbiert. Und auch der kriminalistische Clou des Ganzen wird von langer Hand angekündigt, wer schon den ein oder anderen „Tatort“ gesehen hat kann dem Fall ohne Mühe folgen.
Es drängt sich förmlich der Vergleich zum Episodenfilm „A Touch of Romance“ auf, der im vergangenen Jahr in Cannes gefeiert wurde. „Feuerwerk am hellichten Tage“ ist leiser, weniger spektakulär und weniger plakativ, aber auch deutlich weniger wirkmächtig. Da kann auch die kunstvolle Ausleuchtung der Bilder beziehen, die der japanischen Regisseur Shion Sono beispielsweise in vielen Passagen von „Guilty of Romance“ ebenfalls schon stringenter auf die Leinwand gebracht hat.
Einige tolle Passagen und sehenswerte Hauptdarsteller machen noch keinen gelungenen Film. Anders als die letztjährigen Berlinalegewinner „Mutter & Sohn“, „Caesar muss Sterben“, „Nader und Simin“ oder „Bal“ war „Feuerwerk am hellichten Tage“ ganz sicher nicht der eindrücklichste Film im Wettbewerb. Sein Publikum wird der chinesische Film Noir dennoch finden.