cinetastic.de - Living in the Cinema

Spuren

Geschrieben von Peter Gutting am 21. Februar 2014

Spuren

„Ein Großteil der westlichen und zentralen Landesteile ist unbewohnbar“, kann man bei Wikipedia über Australien lesen. Aber ausgerechnet von der Mitte gen Westen macht sich 1977 eine junge Frau auf zu einem Fußmarsch: 2.700 Kilometer lang, durch Wüste, Steppe, Buschland und immer neue Wüsten. Ganz allein, begleitet lediglich von ihrem Hund und vier Kamelen als Lastenträgern. Robyn Davidson hat danach ein Buch über ihren Extrem-Trip geschrieben. Gegen eine Verfilmung sperrte sie sich allerdings 30 Jahre lang. Bis der australische Produzent Emile Sherman kam und den US-Regisseur John Curran ins Boot holte. Robyn Davidson äußert sich über die filmische Version ihres Abenteuers freilich recht reserviert: „Das ist deren Baby“.

Am Ende des Films sind Fotos von der echten Robyn Davidson zur Zeit ihres neunmonatigen Gewaltmarsches zu sehen: eine schmale, fast hagere, zerbrechlich wirkende 27-Jährige, die zugleich eine ungeheure Entschlossenheit ausstrahlt. Da versteht man sofort, warum der Regisseur die Hauptrolle mit der Australierin Mia Wasikowska besetzte. In den knapp zwei Stunden zuvor macht der 24-jährige Nachwuchsstar („Stoker“) die mentale Stärke der menschenscheuen Aussteigerin scheinbar mühelos glaubhaft.

SpurenAuf die Frage des „Warum“ pflegt die echte Robyn Davidson mit einer Gegenfrage zu antworten: warum nicht? Das versteht man am besten, wenn man sich in die Selbstfindungseuphorie der 1970er versetzt. Nach dem Schulabschluss hätte die talentierte junge Frau zwischen zwei Stipendien fürs Studieren wählen können. Aber sie lehnt ab, versucht sich in verschiedenen Studiengängen und Gelegenheitsjobs und genießt den bohemienhaften Lebensstil der linksintellektuellen Szene Sidneys. Doch 1975 hat sie genug von all dem Gerede, will sich auf neue Art ausprobieren und herausfinden, wer sie wirklich ist. Sie fasst den Entschluss, ganz mit sich alleine zu sein auf der gefährlichen, äußerst strapaziösen Wanderung. Aber zuerst sitzt sie in Alice Springs fest, einem kleinen, rauen Ort in Zentralaustralien, von wo das Abenteuer starten soll. Zwei Voraussetzungen fehlen: die Kamele und das Geld. Das Wissen um den Umgang mit den Tieren erwirbt sie sich bei zwei Kamelzüchtern. Das Geld kommt von der Zeitschrift „National Geographic“. Aber nur unter der Bedingung, dass sich die junge Frau mehrmals unterwegs von Rick Smolan (Adam Driver) fotografieren lässt. Für den etwas verpeilten Kamerafreak entwickelt Robyn schon bald einen widersprüchlichen Gefühlsmix: herzhafte Abneigung, gepaart mit überfallsartiger, aber äußerst kurzlebiger Leidenschaft.

Das Auf und Ab der sporadischen Teilzeit-Beziehung bildet den einen Strang der Erzählung. Die Freundschaft mit einem Aborigine gesellt sich irgendwann dazu. Und immer wieder schieben sich über die flirrenden Wüstenlandschaften flashartige Erinnerungsschübe an Robyns Kindheit, vor allem an den Selbstmord der Mutter. Aber einen wirklichen Zugang zu der Extremerfahrung oder der Lust am Grenzen Erkunden oder zu einem nachwirkenden Kindheitstrauma findet Regisseur John Curran nicht. Statt dessen werden die wichtigen Stationen des langen Wegs sowie die kleinen und großen Krisen brav nacherzählt, ohne irgendwie zu gewichten oder Akzente zu setzen.

SpurenDie edlen Bilder grandioser Landschaften bleiben über weite Strecken äußerlich, sind kaum durchdrungen von inneren Zuständen, obwohl die junge Abenteurerin gerade hier Grenzerfahrungen durchlebt, was das Überwinden von Angst, das Ausgesetzsein in feindlicher Natur und das Überwinden von Erschöpfung betrifft. Den Schlüssel zum visuellen Konzept des Films findet man im Abspann. Dort heißt es, sie seien inspiriert von den Fotos Rick Smolans, die zuerst in den Bildstrecken von „National Geographic“ und dann in weiteren Publikationen erschienen. Einen solchen Eindruck macht in der Tat der ganze Film: wunderschöne Aufnahmen, Hochglanzoptik, die Dia-Show eines Top-Fotografen in bewegten Bildern. Das ist natürlich auch ein schönes Erlebnis. So lernt man Australien von seiner wilden, erhabenen Seite kennen. Aber damit hat es sich dann auch.

„Spuren“ reist durch das wilde Australien der 1970er wie ein Abenteurer, der Tausende Dias von den Wüsten dieser Welt geschossen hat. Die inneren Erfahrungen und die Selbsterkundung in neun Monaten Einsamkeit kommen dabei zu kurz. Wer sich allerdings für Kamele und atemberaubende Landschaften in Hochglanzoptik interessiert, wird durchaus auf seine Kosten kommen.

  • 1
  • 1
  • 1
  • 1
  • 1
  • 1
  • 1
  • 1
  • 1
  • 1

Wir vergeben daher 5 von 10 Filmpunkten.

Copyright: Ascot Elite

Kommentare

Keine Kommentare vorhanden.

Mit Facebook Anmelden um zu Posten!

Anmelden
Spuren

Länge: 112 min

Kategorie: Adventure, Biography, Drama

Start: 10.04.2014

cinetastic.de Filmwertung: (5/10)

  • 1
  • 1
  • 1
  • 1
  • 1
  • 1
  • 1
  • 1
  • 1
  • 1

Gewinnspiele

Gewinne Kinokarten, BluRays, DVDs,
Fan Packages und mehr!

Gleich mitmachen

Info

Spuren

Spuren

Geschrieben von Peter Gutting

Länge: 112 min
Kategorie: Adventure, Biography, Drama
Start: 10.04.2014

Bewertung Film: (5/10)

  • 1
  • 1
  • 1
  • 1
  • 1
  • 1
  • 1
  • 1
  • 1
  • 1