Es ist noch gar nicht so lange her als das Horror-Genre auf einem absteigenden Ast war. Es fehlten Innovationen und Neuerungen, die wenigsten Regisseure brachten den Mut auf gegen bestehende Konzepte zu rebellieren und so sah man als Zuschauer fast nur noch die annähernd gleichen Filme, ruhte man sich doch scheinbar jahrelang auf einigen erfolgreichen Werken aus. In jüngster Vergangenheit brach Scott Derrickson mit seinem Horror-Thriller „Sinister“ genau dieses Konzept, als er sich auf die früheren Tugenden der Filmgeschichte verließ, als Horror einzig und allein das Spiel mit der Angst sowie der Vorstellungskraft des Zuschauers war. Einen ganz ähnlichen Weg verfolgt nun der malaysische Regisseur James Wan, der zuletzt seine Zuschauer mit „Insidious“ begeistern konnte.
Am Anfang der 70er Jahre sind Ed (Patrick Wilson) und Lorraine Warren (Vera Farmiga) überaus erfolgreich im Bereich der Dämonologie unterwegs, werden sie doch immer wieder zu diversen Fällen gerufen, in denen sich das vermeidliche Gespenst als etwas ganz rational erklärbares entpuppt, wodurch beide schon bald als Gastprofessoren an den Universitäten des Landes gern gesehen werden. Im Jahre 1971 kommt schließlich die ältere Carolyn Perron (Lili Taylor) auf beide nach einer Vorlesung zu, um diese zu bitten sich ein neu erworbenes Haus anzusehen, in dem es seit kurzem spuken soll. In besagtem Haus wohnt Carolyn zusammen mit ihrem Mann Roger (Ron Livingston) und ihren fünf Töchtern, die seit kurzem über die seltsamsten Phänomene berichten, die zum Großteil nur nachts zu sehen sind. Ed und Lorraine beschließen wiederwillig das Anwesen der Perrons zu begutachten, doch anstatt mit erklärbaren Phänomenen konfrontiert zu werden, wird plötzlich sogar ihre Tochter Judy (Sterling Jerins) vom unbekannten Geist bedroht…
Basierend auf einer wahren Begebenheit des Ehepaars Warren, das bisher noch unter Verschluss gehalten wurde, entstand durch das Autorenduo Chad (The Reaping – Die Boten der Apokalypse) und Carey Hayes (House of Wax) die Geschichte zu „Conjuring – Die Heimsuchung“, welche auf einer weit abgelegenen Farm spielt. Für die Regie konnte der malaysische Regisseur James Wan (Insidious: Chapter 2) verpflichtet werden, der mit seinen gerade einmal sechs Arbeiten bereits heute einen Bekanntheitsgrad erreicht hat, von dem viele seiner Kollegen nur träumen können. Mit dem ersten Teil des „Saw“-Franchise legte er bereits gut vor, sein Film „Insidious“ aus dem Jahre 2010 wird unter Genrekennern als Meisterwerk gefeiert, während James Wan nun sogar den Auftrag für den kommenden „Fast & Furious 7“ im nächsten Jahr in seiner Vita mit aufnehmen konnte. Bevor es aber so weit ist und wir wieder die schnellen Autos bewundern dürfen, ist erst einmal das Gruseln angesagt!
Im Grunde beginnt James Wan in „Conjuring – Die Heimsuchung“ mit einer kleinen Vorgeschichte des Ehepaares Warren, wenn er in knapp zehn Minuten den New Yorker Fall mit zwei Krankenschwestern kurz vorstellt, die von einer Puppe nahezu verfolgt werden. Schon dabei zeichnet sich ab, dass dieser Film alles andere als normale Horrorkost werden wird, denn wenn es plötzlich nachts lautstark klopft, die entsprechende Soundkulisse sich immer zu höheren Tönen steigert und im nächsten Moment besagte Puppe direkt hinter einem steht, dann ist Gänsehaut garantiert.
Sobald die Warrens vorgestellt worden sind, schaltet James Wan gefühlte fünf Gänge zurück, denn nun ist es an der Zeit die entsprechende Familie Perron vorzustellen, die mit ihren fünf (!) Töchtern in ein doch recht baufälliges altes Landhaus gezogen sind, dass sich direkt am Wasser befindet. Die Kinder toben durchs Haus, die Eltern packen die Kisten aus und der Hund steht bellend vor der Eingangstür und traut sich nicht herein. Weiß der nette tierische Begleiter etwa mehr als die Personen, die gerade erst eingezogen sind?
Ähnlich wie in Poltergeist oder James Wan seinen letzten Filmen „Insidious“ und „Death Sentence – Todesurteil“ wird die Spannung nun nach und nach aufgebaut, indem die verschiedensten mysteriösen Dinge passieren. Des Nachts wird die Bettdecke langsam bei den Kindern weggezogen, beim „Klatsch-Spiel“ im Haus gibt es die eine oder andere seltsame Spur und wenn Carolyn des Morgens mit riesigen Blutergüssen aufwacht, glaubt sie tatsächlich noch an einen Mangel an Eisen in ihrem Blut. Gerade am Anfang verlaufen dabei sehr viele potentiell gruselige Stellen schon bald ins Leere, Szenen bei denen der Zuschauer womöglich bereits vorweislich die Augen schließt entpuppen sich als harmlos, während ganz andere plötzlich gnadenlos zuschlagen.
Obwohl all dies in der ersten halben Stunde noch Mangelware ist und zum Teil in überaus ruhigen Bahnen verläuft, dreht James Wan erst so richtig auf, wenn das Ehepaar Warren mit ihren Freunden im Haus sind und versuchen dem Mysterium auf die Schliche zu kommen. Plötzlich fliegen die Kinder durchs Wohnzimmer, seltsame Dinge passieren im Schrank und im Keller, während die überall aufgebauten technischen Geräte auf einmal auslösen und man sich plötzlich nicht mit einem Geist, sondern einer ganzen Hand voll konfrontiert sieht.
Bei alledem sind die beiden erwähnten Geschichten und das Schicksal beider Familien eng miteinander verknüpft, beide bekommen einen in etwa gleich stark angelegten Anteil im Film, während sich die Figurenzeichnung der fünf Kinder zumeist rein auf die Opferrolle beschränkt. Ebenso enttäuschend fällt jene Rolle von Ron Livingston (Swingers) als Mann des Hauses auf, bei dem man zu keiner Zeit der Meinung wäre, dass er alles nur erdenkliche für seine Familie unternehmen würde. Herausragend sind dagegen die beiden weiblichen Rollen von Lili Taylor (Kopfgeld) und Vera Farmiga (Up in the Air) angelegt, die einen Großteil des Filmes einzig und allein auf ihren Schultern tragen. Farmiga spielt überzeugend jene Frau die als Medium zwischen dem Reich der Menschen und jenem der Geister unterwegs ist und ihr Möglichstes versucht, um ihr eigenes Kind und jene der Perrons zu retten. Nicht minder überzeugend ist die Darbietung von Lili Taylor, die sich einerseits selbst wie eine junggebliebene Frau präsentiert wenn sie mit ihren Kindern verstecken spielt, andererseits aber grade in den Szenen als Übernommene herausragende Momente hat.
Im Bereich der Kamera verlässt sich James Wan erneut auf die Dienste von Kameramann John R. Leonetti (Die Maske), mit dem er bereits in „Insidious“ einige wunderbare Bilder hat realisieren können. Die Kamera bewegt sich zumeist recht langsam durch das verwinkelte Anwesen, nimmt dabei die unmöglichsten Positionen ein um nah an seinen Darstellern zu verbleiben, während sie in gruseligen Situationen zumeist im letzten Moment abblendet, wodurch sich vieles rein im Geist des Zuschauers abspielt. Einen nicht unwesentlichen Anteil am Gelingen dieses Konzeptes macht aber auch der entsprechende Soundtrack von Komponist Joseph Bishara (Repo! The Genetic Opera) aus, der die entsprechenden Szenen und die sich vorstellende Angst zumeist um ein vielfaches verstärkt. Bishara und Leonetti sind mit ihrer Arbeit auch maßgeblich daran beteiligt, dass „Conjuring – Die Heimsuchung“ in den USA ein PG 13 Rating verwehrt geblieben ist, empfanden die Entscheider doch einige der Szenen als viel zu gruselig.
Mit „Conjuring – Die Heimsuchung“ hat James Wan erneut überaus solide Arbeit abgeliefert, die sich mehr als nur sehen lassen kann. Der Film ist womöglich etwas zu lang geraten, was jedoch durch die überzeugende Geschichte, die Musik und die daraus resultierende Atmosphäre kompensiert wird. Als Horrorfilm neben „Mama“ und „Sinister“ definitiv einer der besten des Jahres.