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Gold

Geschrieben von Peter Gutting am 24. Juni 2013

Gold
Eine „angenehme Reise“ wünscht der windige Geschäftemacher seinen Goldsuchern. Das ist, wie sich herausstellen wird, eine recht unverschämte Beschönigung für einen Höllentrip. Durch ein finsteres Tal dürfte auch Regisseur Thomas Arslan gegangen sein, als sein Film – immerhin der einzige deutsche Beitrag im Berlinale-Wettbewerb 2013 – bei der Kritik durchfiel. In die reguläre Kino-Auswertung kommt jetzt eine um 13 Minuten gekürzte Fassung. Die Verdichtung hat der Mischung aus Spätwestern und Berliner-Schule-Minimalismus sichtlich gut getan.

Die auf historischen Fakten beruhende Handlung spielt in den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts. 1896 entdecken drei Männer am Klondike-Fluss hoch im Norden Kanadas riesige Goldvorkommen. Die Nachricht löst, als sie sich ein Jahr später in den USA verbreitet, einen gewaltigen Rausch aus. Mehr als 100.000 Glückssucher machen sich auf den gefährlichen Weg durch völlig unerschlossenes Land. Unter ihnen ist eine Gruppe Deutscher, die alle erst vor ein paar Jahren nach Übersee ausgewandert waren. Für sie hat sich der amerikanische Traum bisher nicht verwirklicht. Alle sind bettelarm und bringen sich und ihre Familien gerade so über die Runden. Nun geben sie dem Wunsch, ihr Leben neu zu erfinden, eine zweite Chance. Neben Anführer Wilhelm Laser (Peter Kurth), Journalist Gustav Müller (Uwe Bohm), einem Banjo-Spieler namens Rossmann (Lars Rudolph) macht sich auch eine Frau, Emily Meyer (Nina Hoss) auf den mörderischen, 1500 Kilometer langen Trip durch die Wildnis. Für die damalige Zeit ein unerhörter, aber durchaus verbürgter Vorgang.

GoldEs liegt nahe, „Gold“ als den zweiten Ausflug von Thomas Arslan ins Genre-Fach zu sehen. 2009 hatte der Berliner-Schule-Regisseur den sehenswerten Gangsterfilm „Im Schatten“ gedreht, nun also die Anleihe beim amerikanischsten aller Genres. Die Indianer, die Lokomotive, der Planwagen – schon die ersten Bilder stimmen die Melodie des Wilden Westens an. Aber die Fährte erweist sich als teilweise irreführend. Es ist nicht der klassische Konflikt zwischen Gut und Böse, sondern schlicht und einfach der Weg von A nach B, der Thomas Arslan interessiert. Dafür hat der Berliner Archive in Kanada und den USA durchforstet, hat Tagebücher von Überlebenden des Klondike-Goldrausches gelesen. Auch der Hinweis auf die Gruppe von Deutschen fand sich dort, allerdings nur am Rande. Und somit als guter Anknüpfungspunkt für eine fiktive, aber nah an der Realität erzählte Geschichte.

GoldMan muss sich einlassen können auf dieses filmische Abenteuer. „Gold“ ist äußerst behutsam und minimalistisch erzählt. Der Film greift die Geschichte des amerikanischen Traums aus einer weiblichen Perspektive auf, aber er tut dies anhand von kleinsten Details. Oft lässt sich das wahre Ausmaß der Strapazen nur an der Körperhaltung ablesen. Und es dauert lange, bis sich die ersten Anzeichen dafür einstellen, dass dieser Trip im wahrsten Sinne des Wortes in den Wahnsinn führen kann. Patrick Orths stilsichere Kamera tut kaum etwas, um die emotionale Bedeutung der sich häufenden Katastrophen zusätzlich aufzuladen. Sie bleibt nüchtern, betrachtend, fast dokumentarisch. Sie zwingt den Betrachter, sehr genau hinzuschauen. Allerdings belohnt sie ihn auch mit einer formalen Geschlossenheit, die ihren eigenen Sog entfaltet und den Blick auf die Überlebenskräfte einer ungewöhnlich starken Frau lenkt. Nina Hoss verkörpert diese zweifach Heimatlose mit einer verblüffenden Mischung aus Zurückhaltung und Entschlossenheit. „Es gibt nichts, wofür es sich lohnen würde zurückzugehen“, sagt sie einmal. Das ist, soweit man es in Worte fassen kann, ihr ganzes Geheimnis. Der Rest liegt in den Bildern.

Mit „Gold“ kann Thomas Arslan zwar nicht an die Spannungsdramaturgie seines Vorgängerfilms „Im Schatten“ anknüpfen. Dennoch ist er für die Experimentierfreude zu loben, mit der er sich auf neues Terrain einlässt, sowohl rein geografisch – der Film wurde an Originalschauplätzen gedreht – wie auch in der Erweiterung der filmsprachlichen Mittel. Dass er dem Zuschauer ein hohes Maß an Geduld und Aufmerksamkeit abverlangt, dürften Freunde der „Berliner Schule“ gewohnt sein.

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Wir vergeben daher 6 von 10 Filmpunkten.

Copyright: Patrick Orth © Schramm Film

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Gold

Länge: 112 min

Kategorie: Adventure, Drama, Western

Start: 15.08.2013

cinetastic.de Filmwertung: (6/10)

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Info

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Gold

Geschrieben von Peter Gutting

Länge: 112 min
Kategorie: Adventure, Drama, Western
Start: 15.08.2013

Bewertung Film: (6/10)

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