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Berberian Sound Studio

Geschrieben von Ronny Dombrowski am 25. April 2013

Berberian Sound Studio

Neben dem klassischen Spaghetti-Western etablierte sich im Italien der 70er Jahre ein ganz und gar seltsames Genre namens „Giallo“ (Italienisch für Gelb), dass einerseits versuchte experimentelle Kriminalgeschichten mit Elementen des Horror und Thriller zu verbinden, andererseits aber auch die sexuelle Gewaltdarstellung nicht unberücksichtigt ließ. Den neusten Film von Regisseur Peter Strickland könnte man als Hommage an diese Zeit verstehen, denn wo andere Kollegen auf eine spannende Geschichte bauen, verliert sich Strickland im Sounddesign der 70er Jahre.

Italien im Jahre 1976: Das Berberian Sound Studio ist eines der billigsten und schäbigsten Studios für die Post-Production von „Giallo“ Filmen, doch davon weiß der naive und introvertierte britische Tonmeister Gilderoy (Toby Jones) noch nichts, als er den neuen Job angenommen hat. Im Studio begegnet dieser als erstes der nur wenig engagierten Sekretärin Elena (Tonia Sotiropoulou), doch neben diversen Sprachproblemen hat Gilderoy von Produzent Francesco (Cosimo Fusco) und dem italienischen Regisseur Santini (Antonio Mancino) doch in erster Linie eine völlig andere Art von Film erwartet. Während Gilderoy sich nun Stunde um Stunde dem Sounddesign von schreienden und stöhnenden Frauen widmet, bahnt sich langsam ein Verlust der eigenen Realität an…

Berberian Sound StudioBlickt man zurück auf die gute alte Zeit der „Giallo“ Filme – die auf kleine gelbe Hefte im Hitchcock Gewand zurückzuführen sind -, so kommen einem unweigerlich Werke wie „Sieben Jungfrauen für den Teufel“ (1967), „Der Schwanz des Skorpions“ (1971) oder „Die neunschwänzige Katze“ (1971) in den Sinn, die alle mit ihrer Art der Darstellung von Gewalt und Sexualität für Anstoß gesorgt haben. Der britische Regisseur und Drehbuchautor Peter Strickland (Katalin Varga) versucht sich nun genau diese Zeit wieder in Erinnerung zu rufen, wenn er zum einen Komponisten wie Riz Ortolani, Goblin,Bruno Nicolai, Stelvio Cipriani, Claudia Gizzi, Nicola Piovani, Fabio Frizzi und Nora Orlandi huldigt, zum anderen aber auch den Zuschauer in eine Welt entführt, in der nichts so ist wie es anfänglich noch zu sein scheint.

Die Geschichte von „Berberian Sound Studio“ ist alles andere als ein komplexes Gerüst aus Plots mit diversen Nebenhandlungen, versucht sich Peter Strickland doch einzig und allein der Figur des Gilderoy zu widmen und dabei jene historischen Glanzzeiten aufzuzeigen, in denen der Ton noch nicht aus dem Computer kam, sondern beim Synchronisieren eines Films noch selber gemacht werden musste. So sehen wir Gilderoy beim Zerhacken von Obst wenn es darum geht das Abtrennen von Körperteilen akustisch zu belegen oder beim Aufnehmen vom kochenden Wasser, wenn beispielsweise eine Jungfrau (mal wieder) von Hexen gekocht oder verbrannt werden soll.

Berberian Sound StudioNatürlich schlägt diese explizite Darstellung von Gewalt auch dem härtesten Briten irgendwann aufs Gemüt, weshalb Peter Strickland in der zweiten Hälfte seines Filmes den Fokus in erster Linie auf die Psyche seiner Figuren legt. Plötzlich versucht sich Gilderoy energisch sein Geld von der Buchhaltung zurück zu holen und zieht dabei jedoch nach kurzer Zeit wieder den Kürzeren, während ihn die Schreie mehr und mehr belasten. Es folgen Traumsequenzen in denen er sich selber plötzlich mit einem Messer bewaffnet vor der Leinwand sieht, diverse Rückblenden und Überschneidungen in denen Peter Strickland die Figuren komplexer erscheinen lassen will als sie eigentlich sind und natürlich ein Finale, dass rein der Phantasie des Zuschauers überlassen ist.

All dies hört sich jedoch weit spannender an als „Berberian Sound Studio“ eigentlich ist, denn mit Ausnahme der durchaus interessanten Konzipierung von Tönen und diversen wirklich gelungenen Lichtverhältnissen im Tonstudio, plätschert der Film ohne nennenswerte Dramaturgie oder gar Rahmenhandlung vor sich hin. Einen größeren roten Faden gibt es leider zu keiner Zeit, die Figur des Gilderoy ist mit seiner stoischen Ruhe komplett uninteressant, sodass man sich als Zuschauer gleich mehrfach die Frage stellen muss, warum er als unzufriedener und scheinbar nicht bezahlter Mitarbeiter die Produktion des Filmes nicht einfach verlässt.

Peter Stricklands „Berberian Sound Studio“ wird die Zuschauer mit überaus geteilter Meinung im Kino zurück lassen, denn während die einen mit der Konzipierung von Tönen zufriedengestellt werden, fragen sich ganz andere was all dies überhaupt sollte. „Berberian Sound Studio“ ist definitiv eine Form von Kunst, bei der es nicht leicht ist sich darauf einzulassen.

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Wir vergeben daher 5,5 von 10 Filmpunkten.

Copyright: REM

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Berberian Sound Studio

Länge: 92 min

Kategorie: Drama, Horror, Thriller

Start: 13.06.2013

cinetastic.de Filmwertung: (5,5/10)

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Info

Berberian Sound Studio

Berberian Sound Studio

Geschrieben von Ronny Dombrowski

Länge: 92 min
Kategorie: Drama, Horror, Thriller
Start: 13.06.2013

Bewertung Film: (5,5/10)

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